Ostsee-Rund 2023

Einmal rund um die Ostsee bis Tallinn und Haparanda (und natürlich zurück): Das ist unser Plan für diesen Segelsommer, der fünf Monate dauern wird. Ende April haben wir die Leinen im Heimathafen losgeworfen, seitdem erfüllen wir uns Seemeile um Seemeile unseren Traum. Kurz vor dem Start ist unsere Crew noch gewachsen – Hügö, unser Talismann, Ulli, die Wärmflasche, und Shaun, das Schaffell für die frierende Co-Skipperin, begleiten uns bis Ende September.

30. September: Hannover
Die Systeme für die Arbeit laufen wieder, längst nicht alle – aber der Rückkehr in den Beruf steht nichts mehr im Weg. Und wir merken jetzt in ersten Gesprächen, wie viel wir erleben durften. Manche Erinnerung hatte sich schon eingegraben, darunter auch die Sandbank vor Iso-Krasseli samt Aufsetzer (12. Juli) oder die stürmische Ausfahrt bei Mrzezyno (6. Mai). Sicher benötigen wir noch Tage, möglicherweise Wochen, bis wir unsere Reise richtig „verdaut“ haben. Dazu gehört auch die Route auf der Lotsenkarte, die der Schipper nachgetragen hat.

Vielen lieben Dank Euch allen für die guten Wünsche zur Heimkehr und dem Re-Start in den Job, für Kuchen, Wein und Gespräche. 

Der Schipper sagt Z:
Zufriedenheit und große Dankbarkeit, dass wir diese Monate gemeinsam erleben durften. Von den unglaublich vielen positiven Eindrücken und Erlebnissen, aber auch von den als Paar gemeinsam durchstandenen Herausforderungen, werden wir noch viele Jahre zehren können – und die kann uns auch niemand mehr nehmen, selbst wenn ein Schicksalsschlag das Leben plötzlich in eine ganz andere Richtung lenken sollte, als wir es uns erhoffen. 

Seit meiner einjährigen Südamerika-Auszeit zu Studentenzeiten kann ich mich nicht mehr daran erinnern, mit so großer Zufriedenheit auf einen prägenden Lebensabschnitt zurückblicken zu können. Daher kann ich nur jedem Mitmenschen empfehlen: Träume nicht Dein Leben, sondern lebe Deinen Traum. Plane ihn sorgfältig, aber warte vor allen Dingen nicht zulange damit! Und die finanziellen Einbußen oder auch die vergebenen Karrierechancen, die mir mein Fachbereichs-Professor schon 1988 vorausgesagt hat, sind vollkommen belanglos im Verhältnis zu dem Gegenwert, den ich persönlich aus diesen Auszeiten mitgenommen habe.

Die Co-Skipperin sagt Z:
Zu guter Letzt: Die Zweisamkeit an Bord hat uns gut getan, auch wenn sich – ausgesprochen selten – auch mal ein Zoff eingeschlichen hat. Meist lag das am Sender-Empfänger-Problem, wenn Absprachen anders gemeint als verstanden wurden. Reden hilft in diesen Momenten sicherlich nicht nur Paaren, sondern auch Kollegen, Freunden und Nachbarn. Und sollte das Missverständnis oder der Frust einmal ganz groß sein, empfehle ich die kulinarische Entdeckung des Törns als Seelentröster: Zimtzwieback.

27./28. September: Rendsburg 
Erst hebt der Kran den Mast von der Serendi, dann das ganze Boot aus dem Wasser: Für uns beginnt jetzt die Saison ohne Segeln, und mit Wehmut räumen wir unser Zuhause auf Zeit in einen Sprinter. Bis Frühjahr 2024 schlummern Shaun, Ulli, die Segel, alle Klamotten, Lotti (unser Bett), Matratzen, Sitzpolster und Rettungswesten an Land. Auch Hügö verlässt die Serendi, als unternehmungslustiger Reisebegleiter wird er sicherlich ab und an mit uns auf Tour gehen. Wir gewöhnen uns unterdessen ans Leben ohne Wellen, unter anderem beim Pizzaessen mit Elke und Hans. Noch fehlt uns die Schaukelei nicht, für alle Fälle hängen wir in Langenhagen aber die Hängematte auf …

Die Co-Skipperin sagt Y:
Yoga steht eigentlich jeden Tag auf unserem Programm, daran wollten wir auch beim Segeln festhalten. Doch nur einmal kramen wir die Matte heraus, sonst passt entweder die Zeit, der Untergrund, das Wetter oder die Gefühlslage nicht. Ein Trost erwartet uns beim ersten Training zu Hause: Dank der Enge an Bord müssen wir uns so oft zusammen- und wieder auseinanderfalten, dass unsere Beweglichkeit nicht leidet, Omm.

Der Schipper sagt Y:
Die Y-Leine ist meine onbord-Lebensversicherung: Es ist ein stabiles Gurtband, welches bei starkem Wind oder Nachtfahrten vom Bug zum Heck über das Deck gespannt wird und sich vor dem Mast zu beiden Seiten des Bootes y-förmig gabelt, damit ich mich beim Verlassen des sicheren Cockpits mit meinem Lifebelt einhaken kann. Somit erspare ich der Co-Skipperin am Ruder das allein extrem schwierig auszuführende Mann-über-Bord-Manöver, sollte ich mal ins Stolpern geraten…

26. September: Kiel – Rendsburg (20,1 Seemeilen)
Das Schleusen im Nord-Ostsee-Kanal ist Glückssache: Manchmal dauert es mehr als eine Stunde, ehe wir in die Kammer einfahren dürfen. Heute kommen wir gerade erst vor Holtenau an, als das Signal erscheint und wir ohne Wartepause passieren können. Doch dann nähert sich ein Dickschiffen der Kategorie 6 – also ordentlich groß – und wir müssen in der Weiche warten. Dennoch legen wir am frühen Nachmittag und damit eher als geplant am Hafen des Winterlagers an, wo das große Ausräumen beginnt. 

Der Schipper sagt X:
X-beliebiger Wochentag: Der Alltag ist soweit weg, dass meist keiner von uns beiden auf Anhieb weiß, welchen Wochentag wir haben. Das Datum tragen wir ja täglich ins Logbuch ein, aber Wochentage haben jegliche Bedeutung verloren. „Sonntag“ machen wir bei Flaute oder Sturm, wenn ein ungeplanter Hafentag eingelegt werden muss. Dann sind Ausschlafen und Ausruhen angesagt. Das Verhältnis zur Zeit hat sich auf dieser Reise sehr verändert – Segeln ist ja nunmal ein vollkommen entschleunigtes Reisen, im Schnitt sind wir nur mit zehn Stundenkilometern unterwegs, und da dauert eine der größeren Etappen einfach mal zehn bis 14 Stunden. Und auf diese Weise sind die fünf Monate auch so unglaublich schnell verflogen. Viele der Dinge, die ich mir vorgenommen hatte, in dem Glauben, fünf Monate sind ja soo unglaublich viel Zeit, habe ich ersatzlos gestrichen – vor allem die geplanten Mußestunden mit Faulenzen, Lesen, Angeln… Da darf man doch wohl keinen ambitionierten Segeltörn planen, wenn das die Priorität ist.

Die Co-Skipperin sagt X:
X (früher Twitter), Instagram oder Facebook vermisst niemand an Bord. Im Gegenteil: Wir genießen, dass wir die sozialen Medien ignorieren – und dass uns dort niemand vermisst. 

23./24. September
Das Wochenende gehört dem Ankommen in der Heimat: Wir stellen fest, dass wir noch das Bahnfahren beherrschen, dass noch alle Schlüssel für die Wohnung und den Twingo passen, dass wir Familie, Freunde und Nachbarn noch erkennen und dass wir einen 80. Geburtstag voller Emotionen feiern können. Mehr geht nicht. Bis zum Sonntagnachmittag. Da bummeln wir mal zum Mittellandkanal und gucken Boote. 

Die Co-Skipperin sagt W:
Der WWW-Kosmos aus Wind, Wellen, Wetter beansprucht uns mehr, als ich gedacht hätte. Letztlich geben Beaufort, Windrichtung und Wellenhöhen über Wochen unseren Tagesrhythmus vor. Mehrmals schmeißen wir Planungen um, weil der Wind gerade günstig bläst. Oder wir legen einen Hafentag ein. Diese Fokussierung führt dazu, dass in unseren Gedanken kein Raum bleibt für Themen in der Heimat. Im Rückblick stelle ich fest, dass wir das Weltgeschehen weitgehend ausgeblendet haben. 

Der Schipper sagt W:
Wassersparen gehört auf einem Boot mit üblicherweise weniger als 60 Litern im Frischwassertank eh zu einer der Grundfertigkeiten des  Tourenseglers. Durch den Hitzesommer im finnischen Teil des Bottnischen Meerbusens, bei dem wir wochenlang kaum eine Möglichkeit hatten, den Wassertank zu füllen, lernten wir schnell, dass auch bei Hitze fünf Liter Frischwasser pro Tag vollkommen ausreichen: Duschen und Waschen findet auf der Badeleiter statt, dank des geringen Salzgehaltes ist Kochen (bis auf Tee und Kaffee) mit Seewasser vollkommen problemlos, und ansonsten gilt: Vor dem Eingießen das Gehirn einschalten und jeden Schluck genießen… 🙂

22. September: Schilksee – Wellingdorf (9,4 Seemeilen)
Viele Häfen steuern wir in diesem Segelsommer an, aber nur einen Heimathafen. Erst kreuzen wir die Kieler Förde mit unseren acht Gastlandflaggen hoch und weichen dabei Dickschiffen und Tonnen gleichermaßen aus. Der böige Wind sorgt für ruppiges, aber auch schnelles Segeln bis zur Schwentine. Gleich darauf stehen wir vor der Einfahrt in den Heimathafen und biegen ein in die Box zwischen Marion und Frank an Steuerbord und Mick an Backbord. Zuhause nach 3237,1 Seemeilen (gut 5995 Kilometer). Nach 148 Tagen. Und nach durchschnittlich 36 Segelstunden pro Sieben-Tage-Woche.

Wir takeln gerade das Groß ab, als Marion und Frank kommen, kurze Zeit später treffen wir Mick. Erst ein kurzer Plausch, dann das Willkommen: Marion und Frank überraschen die Co-Skipperin mit eiskaltem Weißwein und schmerzlich vermissten Eiswürfeln. Fünf Monate liegen zwischen dem Genuss! Wir plaudern am Steg und auf der Ute mit Vereinskameraden, dann steht die große Rasur als Gemeinschaftsaktion an – erst schneidet die Co-Skipperin, dann Marion, dann übernimmt der Schipper mit einem Einweg-Rasierer, und nach einer Stunde ist der Bart ab. „Wie mit der Machete im Urwald“, sagt der Schipper, der sich im Spiegel kaum wieder erkennt. 

Zurück im Heimathafen. Gesund. Das Boot heil. Wir sind glücklich und dankbar, aber auch etwas wehmütig.

Der Schipper sagt V:
Die Verproviantierung gehört gleich nach der Schiffsführung zu den wichtigsten Aufgaben an Bord. Sehr dankbar bin ich meiner Co-Skipperin Antje, die diese Aufgabe mit großer Hingabe und Weitsicht fast schon perfektionistisch ausgefüllt hat. Selbst wenn die Aktualisierung des Wetterberichts die Planung über den Haufen geworfen hat und wir sehr spontan zu einem 14-Stunden-Schlag aufbrechen wollten, hat sie in kürzester Zeit einen Salat oder eine Suppe als Etappenproviant gezaubert – getreu dem Motto: Ohne Mampf kein Kampf, und nur Brote und Süßkram lassen die Moral bei harten Bedingungen doch sehr schnell absinken. Nicht umsonst – wie wir im Marinemuseum auf den Alands gelernt haben – kam auf den alten Großseglern der/die Proviantmeister/in im Rang gleich nach den Offizieren…

Die Co-Skipperin sagt V:
Die Vorbereitung auf den Törn hat mit dem Kauf der Serendi vor vier Jahren begonnen. Seit damals haben wir die Idee der Langfahrt entwickelt, an ihr gefeilt. Ungezählte Stunden gingen drauf für den Bau der Elfi bis 2022, dann begann nach der Zustimmung unserer Arbeitgeber die heiße Phase. Versicherungen, Proviant, Medikamente, Seekarten, Routenplanung, Homesitting, Heckanker, Solaranlage, Homepage – zwischenzeitlich fehlte uns angesichts der Vielzahl der Aufgaben fast die Kraft zum Durchhalten. Sicherlich muss die Planung nicht so umfassend ausfallen, uns hat sie aber jederzeit ein gutes Gefühl gegeben.

21. September: Orth – Schilksee (37,9 Seemeilen)
Mit böigem Wind erreichen wir heute die Kieler Förde – und legen die Serendi in Schilksee am Treidelsteg an. Nun rückt das Ende des Segelsommers auch in sichtbare Nähe, immerhin sehen wir schon die Kräne der Innenförde. Den ersten Abend in der Heimat, wenn auch noch nicht im Heimathafen, verbringen wir mit Anne und Robert und einem überdimensionalen Ü-Ei. Fast alles, was wir in den vergangenen Monaten geschätzt und manchmal auch vermisst haben, finden wir in dem Paket: Wasser mit Kohlensäure und Kieler Gin, Bananen und Äpfel, Gurken und Tomaten, Schokolade und Weingummis. Wahnsinn! Und als besondere Erinnerung nehmen wir an Klampen festgebundene Tassen mit nach Hause. Ankommen kann soooo schön sein. Bis zum späten Abend plaudern wir bei sommerlichen Temperaturen, morgen steht dann definitiv das Absegeln für dieses Jahr an. 

Die Co-Skipperin sagt U:
Vor UV-Licht schützen wir uns zum Glück so gut, dass keiner von uns einen Sonnenbrand bekommt. Zum Teil nutzen wir Creme und Lippenstift mit hohem Lichtschutzfaktor. Vor allem aber setzen wir auf lange Kleidung und große Sonnenhüte. Wir kommen also nicht braun gebrannt nach Hause, falls das jemand erwartet. 

Der Schipper sagt U:
Unrasiert bin ich nach altem Seemannsbrauch und zum Verdruss der Co-Skipperin nunmehr seit dem 26. April. Vor gut 12 Jahren sagte nämlich Jonas-Schipper Stefan zu mir, als ich in seiner Waschkammer eine Nassrasur durchführte: „Wenn Mannslüe sich an Bord rasieren, bringt dat Unglück!“ Keine vier Stunden später saß ich mit gebrochenem Schlüsselbein bei der Inselärztin auf Amrum! Jeglichen Verdacht, dass ich als rationaler Ingenieur irgendwie abergläubisch bin, weise ich weit von mir 😉 – aber geschadet hat der Bart dem bisherigen Törnverlauf sicher nicht und rasieren werde ich mich erst, wenn die Serendi wieder im Heimathafen liegt…

20. September: Orth/Fehmarn 
Nach drei Tagen Kampf feiert der Schipper den Sieg über zwei Schrauben, die sich bei der Montage der Backbord-Mittelklampe festgefressen haben – sie stecken an der falschen Stelle fest und lassen sich nicht mehr bewegen. Also muss er den ausgenudelten Schraubenkopf so ansägen, dass ein kleiner Maulschlüssel drauf passt. Weil das Gewinde total zerstört war, muss er zudem im winzigen Schapp die Acht-Millimeter-Edelstahlschraube absägen. Alles in menschenunwürdigen Positionen, wie immer an Bord. Doch am Ende siegen Geduld und Spucke. Zum Glück ging bei der Steuerbord-Klampe alles gut. 

Und wir feiern noch eine Premiere: Zum ersten Mal nutzen wir unser 49-Euro-Ticket und gewinnen auf der wenige Kilometer langen Busfahrt nach Burg eine einstündige Inseltour, weil der Bus alle Milchkannen ansteuert. 

Der Schipper sagt T:
Traum-Segelsommer – ja, genau diesen haben wir erlebt, und trotz aller Anstrengungen sind meine Erwartungen bei weitem übertroffen worden. Wenn ich im Ruhestand gesundheitlich noch dazu in der Lage bin, werden mit Sicherheit noch weitere Segelsommer folgen. Da Antje ja voraussichtlich noch ein paar Jahre länger arbeiten muss als ich, nutzen wir vielleicht auch das Modell, welches wir mehrfach bei Stegnachbarn erlebt haben: Er fährt das Boot, ggf. mit Freunden, in die Highlight-Ecken, zum Beispiel in die Höga Kusten oder nach Stockholm – und sie gesellt sich für vier Wochen für die schönste Zeit dazu.

Die Co-Skipperin sagt T:
Tonnen bereiten mir nur am Anfang des Törns einige Sorgen, schon bald schätze ich die roten und grünen Tonnen, die Fahrwasser kennzeichnen, und die Kardinaltonnen, die jeweils im Osten, Norden, Westen oder Süden zu umfahren sind. Gerade in den finnischen Schären verhindern sie oft die Kollision mit Steinen: Die Tiefe in der Fahrrinne liegt mitunter bei mehr als 60 Metern – und kurz daneben findet sich ein Stein, der nur knapp nicht aus dem Wasser ragt. Allerdings verstecken sich die Tonnen gern vor der Küste, also starren wir gebannt aufs Wasser: Die Karte zeigt eine Tonne an, also muss sie irgendwo stehen. Wenn wir sie dann entdecken, atmen wir gern kurz durch. Bloß nicht mehr aus dem Blick verlieren …

19. September: Orth/Fehmarn

Sturm oder nicht Sturm? Das ist heute die Frage: Während die Waffelbude am Hafen bei Windgeschwindigkeiten von bis zu 40 Knoten schließt, tragen die Deichschafe noch Locken. Und die norddeutsche Definition lautet nun mal, dass es erst dann stürmt, wenn die Deichschafe keine Locken mehr haben. Es bläst also nur kräftig, dafür aber ausdauernd. Wir freuen uns über den Hafentag und Sport-TV direkt nebenan, denn die Kiter und Surfer feiern den Wind. Wir begnügen uns mit Spaziergängen – und dem, was wir besonders gut können: entspannt übers Wasser schauen.

Der Schipper sagt S:
Schärengärten – so werden die chaotischen Ansammlungen von kleinen und großen Steinen (Felsen) beispielsweise vor Stockholm, Turku oder den Alands genannt – gehören sicher zu den schönsten  und abwechslungsreichsten Revieren, die wir bereisen durften. Sie lassen bei jedem Segler das Herz höher schlagen – nicht nur wegen ihrer atemberaubenden Schönheit, sondern auch, weil sie zu den schwierigsten Segelrevieren gehören. Die unvorhersehbaren Wassertiefen und die ständig drehenden und in ihrer Stärke stark veränderlichen Winde erfordern die volle Konzentration bei der Bootsführung oder striktes Fahren in betonnten Fahrwassern, was jedoch den Reiz des Reviers erheblich reduziert und unter Segeln oft gar nicht möglich ist. Und den Hoppel starten wir nur ungern.

Die Co-Skipperin sagt S:
Des Schippers Lieblingssatz lautet: „Da fahren wir mal hin und schauen uns das an.“ DAS steht für Fahrwasser, Hafeneinfahrten, Ankerbuchten, Tonnen … Während ich immer schon eine leichte Panik verspüre, wenn ich beispielsweise die Durchfahrt zwischen zwei Inseln oder Molenköpfen nicht frühzeitig erkenne, bleibt der Schipper gelassen – und lässt sich von meiner Ungeduld weder aus der Ruhe bringen noch anstecken. Zum Glück, denn andernfalls wäre unser Segelsommer sicher nicht so harmonisch verlaufen. Denn letztlich finden wir immer die richtige Durchfahrt oder das passende Tonnentor.

18. September: Kühlungsborn – Fehmarn (33,2 Seemeilen)
Der eine oder die andere weiß, dass wir uns im Hafen von Burgtiefe auf Fehmarn in die Serendi verliebt haben. Deshalb pflegen wir eine besondere Verbindung zu der Insel, die wir heute bei viel Wind und noch mehr Welle ansteuern. Beides kommt achterlich und lässt das Boot ordentlich schaukeln, wir mobilisieren also noch einmal die Muskeln auf dem Weg nach Orth, unserem Lieblingshafen auf der Insel. Dieser dient bei der Krimi-Reihe „Nord bei Nordwest“ als Drehort für Hinnerk Schönemanns Boot im fiktiven Schwanitz und wird von uns gern besucht.

Allerdings entfällt der Gin Tonic im Piratennest, dort entstehen Ferienwohnungen. Der Schipper würde ja gern in der griechischen Taverne am Hafen einkehren, aber wir müssen noch die Reste vernichten, ehe wir den Heimathafen erreichen. Am Ende haben wir auf dem Törn so mit unseren Leckereien gegeizt, dass wir immer wieder tolle Sachen finden, darunter Gulasch und Grünkohl, Schokolade und Studentenfutter. „Kali Orexi“ heißt es also höchstens an Bord.

Die Co-Skipperin sagt R:
Retter auf See begleiten unseren Törn vom ersten bis zum letzten Tag – ein durchaus beruhigendes Gefühl. Erst am Sonntag konnten wir via Funkgerät verfolgen, wie schnell Bremen Rescue die Hilfe für zwei kollidierte Segelboote vor Fehmarn organisierte, mit Unterstützung von Polizei, Seenotrettern, Forschungsschiffen, Helikopter und privaten Segelyachten. Jede und jeder hofft natürlich, dass nie ein Notfall eintritt und das Boot den Alarm „Mayday“ senden muss. Doch wenn, dann kommt zumindest auf der Ostsee schnell Hilfe. 

Der Schipper sagt R:
Reffen – das bedeutet das Verkleinern der Segelfläche, wenn der Wind zunimmt – ist eine meiner Aufgaben, die keinerlei Aufschub vertragen. Nicht umsonst heißt der Lehrbuchspruch: Gerefft wird, wenn man das erste Mal dran denkt. Zwar ist die Serendi relativ gutmütig, wenn sie mit zu viel Segel auf Kurs gehalten wird. Aber zu spätes Reffen ist einfach anstrengend, weil meist auch mit dem Wind die Welle zunimmt, und je mehr es schaukelt, desto schwieriger ist das Reffen. Viel gefährlicher ist es jedoch, wenn durch eine erforderliche Kursänderung der Wind plötzlich weiter von vorne kommt – habe ich da das Reffen verschlafen, weil es „ja noch so schön und vor allem schnell lief“, dann kann die Serendi verdammt zickig werden, sich flach aufs Wasser legen und nur durch sehr kraftvolle Ruderbefehle widerspenstig in die von uns gewählte Richtung einwilligen…

17. September: Kühlungsborn – Kühlungsborn (11,2 Seemeilen)
Eigentlich sollte als Ziel dieses Tages das Salzhaff vor Boiensdorf stehen, doch der Wind lässt uns kläglich im Stich. Wir verlassen Kühlungsborn gegen 14 Uhr, nach der angesagten Flaute. Etwa 16 Seemeilen liegen vor uns, die wir zwingend im Tageslicht schaffen müssen – das Salzhaff mit seinen vielen Untiefen ist tückisch. Das wissen wir aus eigener Erfahrung, schließlich haben wir die Serendi dort schon einmal auf Sand gesetzt. Gegen 16 Uhr zeichnet sich ab, dass der Wind nicht reicht (oder die Sonne für den Wind zu früh untergeht). Also drehen wir um und legen im Hafen von Kühlungsborn in der uns bestens bekannten Box wieder an. Als kleinen Kick des Tages fahren wir unter Genua in den Hafen, wenigstens etwas Neues.

Der Schipper sagt Q:
Die Quatsche – oder auch Funkgerät genannt – ist in Fahrt immer auf dem internationalen Anruf- und Seenot-Funkkanal 16 im Standby. Im Gegensatz zur vielbefahrenen Kieler Förde oder den Schifffahrtsrouten um Bornholm gibt es im hohen Norden oft nur zwei oder drei Meldungen am Tag – aber natürlich immer genau dann, wenn einer von uns gerade im wohlverdienten Mittagsschlaf eingeschlummert ist…

Die Co-Skipperin sagt Q:
Quallen verschonen uns in diesem Segelsommer weitgehend: Sie treffen wir mitunter beim Baden, aber wirklich nur vereinzelt. Und wenn, stören sie uns nur bedingt – wegen der oft niedrigen Wassertemperatur tragen wir ohnehin Neoprenanzüge und sind deshalb geschützt. 

16. September: Ankerbucht Dranske – Kühlungsborn (57,9 Seemeilen)
Der heutige Tag gehört zu den perfekten Segeltagen: Der Wind weht bei moderaten Wellen und hochsommerlichen Temperaturen, die Küste Mecklenburg-Vorpommerns zieht gemütlich vorbei, und wir kommen nach zwölf Stunden entspannt im Seebad Kühlungsborn an. Zum ersten Mal nutzen wir die auf Hiddensee eingebaute Mittelklampe am Fingersteg, unter den aufmerksamen Augen von Hügö. 

Allerdings überfordert uns der Trubel an der Strandpromenade, wo sich aufgestylte Menschen zum Jazz-Konzert treffen. Wir brauchen eigentlich nur Zwiebeln für die nächsten Tage … Immerhin bekommen wir nun den Aperol Spritz für das Kreuzen unserer Kurslinie vom April, als wir von Gedser nach Stralsund gesegelt sind. Damit schließen wir vor dem Darßer Nordkap unsere Ostsee-Runde, die natürlich im Heimathafen endet. Im Gegensatz zu den skandinavischen und baltischen Ländern funktioniert hier die Kartenzahlung nicht, sodass wir beide nach Geld kramen müssen. Alltag können wir noch nicht richtig. 

Die Co-Skipperin sagt P:
Pinne und Kompass sind meine besten Freunde an Bord – ich liebe es zu steuern, übers Wasser zu schauen und irgendwann einen Streifen Land am Horizont zu sehen. Wenn sich daraus dann Landschaft mit Küste oder Wald oder Hafen entwickelt, bin ich glücklich. Wegen meiner Leidenschaft fürs Steuern nennt mich der Schipper auch Autopilotin 🤷‍♀️

Der Schipper sagt P:
Privatflaute – also der Eindruck, ringsum weht der Wind und das Wasser kräuselt sich stärker, nur wir stecken mit der Serendi ständig in einem Windloch – ist ein Naturphänomen, welches wir leider viel zu oft erlebt haben und was auf langen Schlägen gewaltig an den Nerven zerrt. Da hilft auch nicht der Ingenieurverstand, dass die Windeinflusszone unseres Segels mindestens 3 bis 5 Masthöhen, also etwa 40 – 65m weit reicht. Ich sehe doch, dass da vorne mehr Wind ist – nur zu uns kommt er nicht und das ist sooo gemein!

15. September: Kloster – Dranske (6,8 Seemeilen)
Ein letztes Mal: Immer öfter beginnen wir einen Satz mit dieser Redewendung. Heute spazieren wir zum letzten Mal über Hiddensee, gibt es zum letzten Mal leckere Thunfischnudeln, öffnen wir zum letzten Mal die Tüte mit Weingummis, sucht der Schipper zum letzten Mal die Seekarten bis zum Heimathafen aus der Achterkammer. Längst hat sich Wehmut über den Abschied vom Segelsommer in die Vorfreude auf Familie und Freunde geschlichen. Heute werfen wir, hoffentlich nicht zum letzten Mal, den Anker, nachdem wir unter böigem Wind die Westküste Rügens erreicht haben. Wir genießen den Sonnenuntergang über der Ostsee – auch das hoffentlich nicht zum letzten Mal.

Der Schipper sagt O:
Obst und frisches Gemüse erweisen sich gerade im hohen Norden als kostbares Gut: Versorgungsstellen sind auf der von uns gewählten Route rar – und die Haltbarkeit durch die ungünstigen Bordbedingungen sehr begrenzt. Als Äpfel, Bananen, Tomaten und Möhren, die immer regelmäßiger Bestandteil unseres Speiseplans sind, plötzlich fehlen, wird mir noch einmal richtig klar, was für ein Luxusleben wir im Alltag wie selbstverständlich führen. In Summe bleibt die Erkenntnis: Auf einen großen Teil der Annehmlichkeiten des heimischen Alltagslebens kann ich problemlos verzichten, und viele Einschränkungen, die das Leben auf einem kleinen Segelboot mit sich bringen, machen mich bestimmt nicht unglücklicher – im Gegenteil, die zwangsläufige Besinnung auf die wenigen Sachen  in unserem kleinen Serendi-Kosmos lassen die Dinge viel intensiver erscheinen: Der Milchpulver-Milchkaffee morgens in der Schärenbucht schmeckt weitaus besser als der perfektionierte Cafe Latte aus dem teuren Vollautomaten – jeglicher Genuss findet doch wohl weitgehend im Kopf statt, sobald die Umgebung die passenden Synapsen stimuliert! Aber bei frischer Nahrung und Süßigkeiten als Schipper-Nervenfutter 😉 ist meine Toleranzgrenze doch sehr begrenzt.

Die Co-Skipperin sagt O:
Vom Ostseehimmel bekomme ich einfach nie genug: Beim Aufstehen sehen wir oft gelbe bis orangefarbene Streifen oder Wolkenlücken. Tagsüber begleitet uns ein Blau, das von zarten Farbtönen bis hin zu knalligem Blau reicht. Und abends schauen wir zu, wie die Sonne untergeht und sich der Himmel mit feinen Pastellfarben schmückt. Da wir oft jenseits der Häfen und damit jeglicher Beleuchtung schlafen, erleben wir nachts einen Himmel ohne Lichtverschmutzung. All das werde ich vermissen.

14. September: Kloster 
Jaaaaha: Wir urlauben immer noch auf Hiddensee. Noch gibt es Wanderwege, unter anderem an der Steilküste im Norden, die wir nicht erkundet haben. Das holen wir heute nach und schlürfen danach einen Eiscafé im Klausner, der über das Buch „Kruso“ von Lutz Seiler eine gewisse Berühmtheit erlangt hat. 

Die Co-Skipperin sagt N:
Nachbarn am Steg gehören zum Segeln wie das Salz in der Suppe: Wir plaudern seit fast fünf Monaten mit jeder Crew, die links oder rechts der Serendi liegt. Mich begeistert, dass wir – egal in welchem Land – immer Tipps für gute Häfen oder Schären bekommen. Zugleich erinnern mich Segler an Hundebesitzer. Die erkennen sich nur dann, wenn sie mit Suse, Boomer, Chicco oder Polly unterwegs sind. Segler erkennen sich nur dann, wenn sie im Zusammenhang mit ihrem Boot stehen: „Du bist der Alleinsegler von der Koopmans?“ oder „Bist du die Sirius Decksalon?“ oder „Gehört ihr auf die Dehler 31?“ Leider bleiben Stegbekanntschaften oft flüchtig, mitunter finden sich aber Freunde wie Alex. 

Der Schipper sagt N:
Navigation und Routenplanung war über viele Wochen meine Hauptfreizeitbeschäftigung – wenn man als Freizeit die Zeit definiert, die nach dem Serendi-Fahren und -Warten, Essen und Schlafen noch übrig bleibt. Auch beim Fahren bestand ein wesentlicher Teil meiner Aufgaben im Navigieren. Mit zunehmender Routine und der Erkenntnis, dass auch bei drei durchgeplanten Routen die unsteten Windverhältnisse oft die spontane Variante 4 erfordern, setzte sich dann die Minimalvorbereitung durch, die aus der in wenigen Minuten erledigten Grobplanung mit der Autoroutingfunktion auf dem Tablet und der Identifizierung von Alternativtrassen und den jeweiligen Engstellen besteht.
Etwas überrascht hat mich die Erkenntnis, dass Streckemachen durch die Schären auf diese Weise letztlich genauso anstrengend ist wie ein 10-Stunden-Verhandlungstag in einer Patentstreitigkeit beim Europäischen Patentamt: Man muss ununterbrochen mitdenken, kleine Fehler sind mit hochrotem Kopf meist noch korrigierbar, aber bei groben Fehlern droht der Totalverlust… 😉

13. September: Kloster
Der Regen erwischt uns heftig und über Stunden – das stört uns aber nicht. Wir lesen, erledigen Post, telefonieren mit der Heimat und sind erstaunlich unproduktiv. Zumindest die Co-Skipperin. Der Schipper montiert immerhin die Mittelklampe auf der Steuerbordseite, dafür reicht die Regenpause.

Der Schipper sagt M:
Motor, liebevoll auch unser Hoppel genannt, hat trotz seiner 33 Jahre zuverlässig seinen Dienst getan. Wenn mal etwas nicht so läuft wie geplant und wir kurz Vollgas vorwärts oder rückwärts von ihm fordern, raucht er zwar unwillig wie eine alte Dampfmaschine, liefert dann aber auch die geschätzten 8 Pferdestärken ab, die er noch zu leisten in der Lage ist – und das Manöver ist meist gerettet…

Die Co-Skipperin sagt M:
Unser Maskottchen Hügö behält vom Salon aus alles im Blick – und den Kontakt zur Heimat. Schließlich hat Kristina das kleine Nilpferd eigens für unseren Törn genäht, als Bruder von Nili, der wiederum den Oslo-Törn begleitet hat. Allerdings trinkt Hügö deutlich weniger Alkohol als Nili, was sicherlich mit seinem jugendlichen Alter zusammenhängt … Natürlich trägt Hügö eine Schwimmweste wie jeder gute Segler, nur bei Landgängen darf er sie ablegen. 

12. September: Kloster
Wie schön, wenn sich die Wetter-App zu unseren Gunsten irrt: Der bereits für den Vormittag angesagte Regen stellt sich erst am Abend ein, sodass wir den Norden Hiddensees erkunden können. Auf die geplante Steilküsten-Wanderung verzichten wir allerdings, weil wieder einmal dichter Seenebel über der Ostsee liegt. Das Projekt Resozialisierung rückt auch heute näher – an frische Brötchen und den heimischen Radiosender haben wir uns wieder gewöhnt – doch bis zur Rückkehr in den Alltag wollen wir uns mit Spaziergängen und Schwimmen in der Ostsee erholen. Heute badet der Schipper zum dritten Mal ab, möglicherweise ist es noch immer nicht das letzte Mal. 

Die Co-Skipperin sagt L:
Langeweile kommt an Bord nicht vor. Beim Segeln fordern uns unter anderem Navigation, die Segelstellung, Nachrichten aus dem Funkgerät, andere Boote und der Blick auf die Wellen. Im Hafen sind wir ausgelastet mit Hafenkino, Steggesprächen, Essen, Kochen, Reparieren von Bagatellschäden oder der Suche nach Proviant, der sich in Bilgen versteckt. Und nicht zuletzt schätze ich die Bordbücherei, die dank der Onleihe immer gut gefüllt ist. 

Der Schipper sagt L:
Landkrankheit ist zum Glück die einzige Krankheit, die mich auf dem Törn erwischt hat. Mit großer Regelmäßigkeit scheint alles um mich herum zu schwanken, sobald ich das Boot verlasse – am stärksten, wenn ich in den hafenüblichen Klokabinen sitze – da hilft nur schnell zurück aufs Boot, das wackelt immer und das Schippergehirn ist zufrieden. (Für Landratten: Dies ist kein Witz, sondern wirklich so und unabhängig vom Alkoholgenuss).

11. September: Kloster
Willkommen im Sommerurlaub: Anders können wir den Tag nicht beschreiben. Wir schwimmen ausdauernd in der Ostsee, radeln bei Temperaturen deutlich über 20 Grad zum Leuchtturm Gellen und lassen die Seele baumeln. Das aktuelle Wetter nehmen wir als Geschenk – wie die anderen Badegäste auch. Entsprechend entspannt ist die Stimmung, jede Hektik fehlt, dafür gibt es gute Laune satt.

Der Schipper sagt K:
Küstenfischer haben wir als liebenswerte Einheimische kennengelernt, die uns immer wieder mit leckerem Frischfisch versorgen. Wenn dies doch bloß nicht den unangenehmen Begleiteffekt hätte, dass sie hierzu schlecht auszumachende Fischertonnen mit Netzen auslegen, die uns mehr als einmal erheblich in Bedrängnis gebracht haben…

Die Co-Skipperin sagt K:
Klaipeda gehört zu den Orten, die fest in meiner Erinnerung verankert sind. Denn der 121,8 Seemeilen lange Schlag von Gdynia nach Klaipeda (16. und 17. Mai) hat mich psychisch und physisch an meine Grenze gebracht. Sorge vor russischem Militär, hohe Wellen, wenig Schlaf und Essen – selten war ich nach einem Anleger so dankbar. Allerdings hat der Schlag auch eine große Lernkurve gebracht: Seitdem achten wir an langen Segeltagen auf Ruhepausen, haben Zwieback als leichten Snack dabei und trinken ganz bewusst Tee oder Wasser. 

10. September: Kloster
Wir schalten ab heute in den Urlaubsmodus, gehen schwimmen und spazieren – den Weg zum Aussichtspunkt am Nordkap schenken wir uns aber: Innerhalb von einer halben Stunde zieht dichter Nebel über die Ostsee und über Hiddensee. Der Leuchtturm, normalerweise weithin sichtbar, verschwindet komplett. Angesichts dieser Wetterverhältnisse sind wir sehr froh, dass wir mit der Serendi sicher im Hafen liegen. Daran ändert sich vorläufig auch nichts, wir wollen Hiddensee noch mehr erkunden.

Die Co-Skipperin sagt J:
Jotwede oder janz weit draußen, wie der Berliner sagt, liegt unsere Route – wir steuern oft die Außenschären an und genießen die Einsamkeit. Andere Crews bevorzugen Städte. Diese Vielfalt der Möglichkeiten fasziniert mich, denn bei einer weiteren Ostsee-Umrundung müssten wir keinen Hafen ein zweites Mal aufsuchen – mit Ausnahme der polnischen Küste, wo es nur wenige Häfen gibt.

Der Schipper sagt J:
Jubeln können wir nicht nur beim Erreichen der ganz großen Ziele wie Klaipeda, Tallin und Haparanda, sondern eigentlich jeden Abend, wenn nach einem anstrengenden Segeltag noch ein halbwegs passabler Anleger gelingt und wir bei Weißwein oder Gin Tonic ein weiteres Etappenziel feiern.

09. September: Hasle – Kloster/Hiddensee (73 Seemeilen)
Von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang dauert dieser Segeltag, der uns nach 132 Tagen zurück nach Deutschland bringt und der gleich zwei Premieren bietet. Gegen 9 Uhr, und damit etwa vier Stunden nach dem Ablegen, entdeckt der Schipper eine Flaschenpost im Wasser. Eine Ginflasche. Wir werden doch nicht etwa unsere eigene Flaschenpost finden, die wir am 1. Juli für Merle und Stefan ins Wasser geworfen haben? Nein. Diese Post haben Frieda und Justus abgeschickt, als sie am 11. August mit der Fähre von Rønne nach Sassnitz gefahren sind. Natürlich bekommen sie die gewünschten Fotos, und wir freuen uns über den Finderlohn, eine Tafel Schokolade.

Und während wir Wind und Sonne genießen (womit haben wir dieses tolle Wetter verdient?) steuern wir erstmals mit der Serendi die Insel Hiddensee an. Eigentlich wollen wir in Vitte anlegen, doch als wir uns mit Alex (zuletzt haben wir uns auf Aspö am 4. September getroffen) kurz schließen, lotst er uns wegen Hafenüberfüllung nach Kloster um. Er organisiert uns einen Liegeplatz im Päckchen. Segler wissen, dass in diesem Fall zwei Boote nebeneinander andocken, wenn am Steg kein freier Platz mehr ist. Die Frau auf einem Boot am Steg, die Alex anspricht, erklärt sich bereit, ein Päckchen anzunehmen. Auch aus Schweden. Allerdings wundert sie sich, weshalb er nicht selbst das Päckchen in Empfang nimmt. Sie gehört nicht zu den Seglern, und es dauert einen Moment, bis sie ihre Aufgabe versteht. Als wir endlich ankommen, ist alles geklärt – und die Nachbarin gut gelaunt. 

Der Schipper sagt I:
Instinkt,  Intuition  und Improvisation erweisen sich gerade beim Schärensegeln als wichtigste Crewmitglieder, weil Lehrbuchwissen und auf Windprognosen basierte Planung bei den unstetigen Bedingungen zwischen den Steinen nur wenig weiterhelfen.

Die Co-Skipperin sagt I:
Das Inselhopping in Estland, Finnland und Schweden zeigt die Vielfalt der Natur. Jede Schäre ist einzigartig, und sicherlich benötige ich jetzt etwas Zeit und Ruhe, um all die tollen Erlebnisse zu verarbeiten. 

Route von Landsort bis Bornholm
Auf diesem Kartenausschnitt findet Ihr die Strecke der vergangenen Wochen: Vom schwedischen Landsort steuern wir Gotland und Öland bis zur dänischen Sonneninsel Bornholm an

08. September: Hammer Havn – Vang – Hasle (6,5 Seemeilen)
Auch nach fast fünf Monaten auf Tour gelingt uns noch eine Premiere: Wegen der Flaute entscheiden wir uns, unter Motor gleich zwei Häfen an der Bornholmer Westküste anzusteuern. Zunächst erkunden wir Vang, ein wunderschönes Dorf mit vielen Wanderwegen entlang der Küste – die von jahrelangen Granitabbau geprägt ist. Uns zieht es zu Jons Kapelle, einer Steinformation. Es geht immer wieder auf und ab, wobei wir mit toller Landschaft und Aussicht belohnt werden. Den Weg können wir allen Bornhom-Besuchern empfehlen, feste Schuhe helfen beim Bewältigen der Strecke.

Bei Temperaturen deutlich über 20 Grad und kaum Wind tuckern wir nach Hasle, unserem Absprunghafen in Richtung Deutschland. Nach der Wanderung in der Vanger Mittagssonne schwächeln wir, erledigen hier nur noch den Proviant-Einkauf und die Navigation. Möglicherweise besitzt das Dorf schöne Orte, doch uns bleiben sie verborgen.

Die Co-Skipperin sagt H:
Zu meinen Highlights der Reise zählen drei Orte, die nur zufällig alle mit H beginnen. Die Höga Kusten (26. Juli bis 9. August) gefällt mir wegen der einzigartigen Landschaft: Steile Felsen ragen hoch hinaus, sie bilden Sunde und Naturhäfen, wo wir unglaublich zugewandte Menschen kennen gelernt haben. Haapsalu (6. und 7. Juni, eine estnische Kleinstadt, bietet mit dem Kinderparadies von Ilon Wikland – Illustratorin der Astrid-Lindgren-Bücher -, dem Bahnhof des Zaren, einer tollen Burganlage mehr als manche Großstadt – hier gibt es die Bullerbü-Idylle aber noch dazu. Und natürlich bedeutet Haparanda (18. und 19. Juli) mir sehr viel, weil dieses Ziel für mich als Segelnovizin über Jahre nur ein Traum war.

Der Schipper sagt H:
Hundemüde: Nie gedacht habe ich, wie anstrengend die langen Segelschläge sind, sodass wir uns über Wochen immer nur hundemüde fühlen, und problemlos 12 Stunden Schlaf geht, wenn es dann zwischendurch mal einen Hafentag gibt.

07. September: Hanö – Hammer Havn/Bornholm (47,1 Seemeilen)
Bei diesem Segeltag stimmt alles: Der Wind weht aus Ost und schiebt uns mit durchschnittlich sechs Knoten südwärts, die Wellen kräuseln sich moderat, die Sonne scheint – ein Segeltag wie aus dem Bilderbuch, den wir komplett genießen. Denn auch das große Fahrwasser, in dem wir zwischenzeitlich acht Dickschiffe gleichzeitig zählen, passieren wir ohne Probleme. Zum wahrscheinlich letzten Mal wechseln wir die Gastlandflagge,verabschieden uns aus Schweden und begrüßen Dänemark (über lange Zeit mit einem blinden Passagier an Bord).

In Hammer Havn an der Westküste liegen wir ab dem frühen Nachmittag, deshalb spazieren wir noch zur Burgruine Hammershus – bei tiefschwarzem Himmel. Doch die Wolken verziehen sich, ohne einen Regentropfen. Das passt zu diesem wunderbaren Tag, für den wir einfach nur dankbar sind.

Der Schipper sagt G:
Grundeisen (Anker): Weit öfter als den klassischen Buganker haben wir in den Schären unseren Heckanker genutzt. Richtig gut schlafen kann ich immer nur, wenn ich das Grundeisen durch Tauchen kontrollieren kann, um mit eigenen Augen zu sehen, ob es sich auch ordnungsgemäß eingegraben hat. Die moderne Technik mit GPS-Alarm gibt zwar einige Sicherheit, wenn man aber doch mal morgens um vier durch die Ankeralarm-Sirene geweckt werden sollte, weil das Boot vertreibt, ist das sicher Stress pur… – ist uns zum Glück noch nie passiert.

Die Co-Skipperin sagt G:
Genua und Groß, also unsere beiden Segel, bekommen unterwegs die größte Zuwendung. Stehen sie richtig für den Wind? Sind sie zu dicht geholt oder zu weit geöffnet? Müssten wir bei Starkwind reffen? Oder bei Flaute den Spinnaker setzen? Fragen über Fragen, meist finden wir aber die richtige Segelstellung für den aktuellen Wind. Eigentlich hilft dabei der Verklicker oben am Mast, der die Windrichtung anzeigt. Außer auf der Serendi: Seit dem missglückten Landeversuch einer Möwe auf unserem Verklicker ist das fragile Teil verbogen …

06. September: Hanö
Wer nach Hanö mit dem Segelboot kommt, kennt Lotta: Die Hafenmeisterin flitzt täglich rund um die Steganlage, um Leinen anzunehmen, Hafengebühren zu kassieren, gute Laune zu verbreiten, Blumen zu pflegen oder die sanitären Anlagen mit kleinen Blüten zu dekorieren. Wir haben sie im vergangenen Jahr ins Herz geschlossen und freuen uns, sie jetzt wieder zu treffen. Heute trübt nur die Aussicht auf das Ende der Saison ihre gute Laune.

Wir nutzen den Hafentag unterdessen für die möglicherweise letzte Wäsche des Törns und vor allem, um die Insel – ein absoluter Sehnsuchtsort – zu Fuß zu umrunden. Über Stock und Stein geht es, im besten Wortsinn. Heute stellt sich auch das Gefühl von Urlaub ein, nicht zuletzt wegen des sonnigen Spätsommerwetters. Doch das Törnende naht, wie wir bei der Rückkehr in den Hafen feststellen. Die Bluescreen mit Wulf und Susanne legt am Nachmittag an, und nach mehr als vier Monaten treffen wir Kieler aus dem Heimathafen. Sie haben kurz nach uns Haparanda erreicht und sind jetzt auch auf dem Heimweg. So schnell geht es jetzt.

Die Co-Skipperin sagt F:
Familie und Freunde (das weltbeste Team und die Lieblingsnachbarn eingeschlossen) fehlen mir inzwischen und ich freue mich auf alle Begegnungen 😍 Vielen Dank an dieser Stelle für alle lieben Nachrichten und Anrufe – sei es die Nachfrage, ob und wo wir den Sturm überstehen, oder das Pippi-Langstrumpf-Lied auf Schwedisch.

Der Schipper sagt F:
Festmacher: Erst auf dieser Reise habe ich gelernt, wie entscheidend die richtigen Festmacherleinen an der richtigen Stelle für eine entspannte Nachtruhe im Hafen sind. Bei unpassendem Schwell können 20 Zentimeter Hin oder Her aus einer bockigen Eselin eine sanftmütig schaukelnde Serendi machen.

05. September: Aspö – Hanö (35,4 Seemeilen)
Absolutes Genusssegeln erwartet uns heute bei dem Schlag von Aspö nach Hanö – diese Insel in Blekinge hat uns schon im vergangenen Jahr ausgesprochen gut gefallen, und wir wollen noch einmal um die ganze Insel wandern. Dank der guten Bedingungen legen wir um 15 Uhr im fast leeren Hafen an, nicht ahnend, dass uns heute noch im wahren Wortsinn kolossales Hafenkino geboten wird. 

Erst brummt ein Transportschiff mit Lastwagen und zwei Containern an die Pier. Alles dient dem Bau einer neuen Kläranlage, erfahren wir. Mit großem Getöse und noch mehr Präzision dockt der Skipper das Boot an, der Lastwagen rollt Zentimeter für Zentimeter von der Ladefläche über eine hölzerne Plattform – und schiebt dann die Frontschürze in das leicht ansteigende Hafengelände. Nix geht mehr. Die Arbeiter bauen schließlich mit Bohlen eine bessere Abfahrt, der Lastwagen kann den ersten Container wegbringen. Ohne diese Last schwimmt das Boot zu hoch auf, der Lastwagen kann die Rampe nicht überwinden – es geht nicht vor und nicht zurück. Deshalb füllt die Crew Wassertanks im Schiff, der Bug wird schwerer, und das Abladen für geht weiter.

Das bekommen wir kaum mit, denn in den am Abend gut gefüllten Hafen läuft mit der Lovis ein Traditionssegler ein und sucht einen Liegeplatz. Eine Art „Hafentetris“ beginnt: Der Skipper des schwedischen Bootes hinter der Serendi sucht sich einen neuen Platz. Wir ziehen die Serendi am Kai um einige Meter weiter ins Hafenbecken, bis die Lovis vor uns anlegen kann. Da gerät auch die sonst fröhlich-entspannte Hafenmeisterin kurz ins Schwitzen. Wir können – im Gegensatz zu Sandhamn (Beitrag vom 25. August) – mit dem riesigen Nachbarn gut leben: In diesem Fall werden wir freundlich gefragt und nicht einfach verdrängt.

Der Schipper sagt E:
Echolot, das wichtigste Instrument an Bord, weil die Evolution dem Menschen dafür leider keinen Sensor mitgegeben hat. Die Wassertiefe ist aber nun mal der wichtigste Faktor für eine sichere Passage und schnell der gefährlichste Showstopper des Törns.

Die Co-Skipperin sagt E:
Die ETA – estimated time of arrival/erwartete Ankunftszeit – entspricht auf Booten der berühmten Glaskugel, die man zur Zukunft befragen kann. Wir schicken unserem Schutzengel Maike täglich die ETA vor dem Ablegen anhand der Wetterprognose. Doch den echten Wind erleben wir erst draußen, und dort stimmen Theorie und Praxis selten überein. Entweder bläst er gar nicht, zu viel oder aus der falschen Richtung. Deshalb müssen wir die ETA beim Schutzengel immer wieder aktualisieren. Maike trägt das mit großer Empathie: Sie pustet symbolisch oder empfiehlt Entspannung und begrüßt die Meldung, dass wir dann irgendwann sicher liegen, mit warmherzigen Worten. Letztlich dient die ETA der Sicherheit von Crews, bei möglichen Unfällen lässt sich so der Einsatzort der Retter eingrenzen. 

04. September: Kristianopel – Aspö/Drottningskär (38,4 Seemeilen)
Unvergessen ist jener Moment, als wir Anfang Mai vor Leba den ersten Segler seit Törnbeginn sehen: Alex aus Dresden legt kurz nach uns im Hafen an. Nach Leba folgen gemeinsame Stunden in Danzig und Klaipeda, ehe sich unsere Wege am 23. Mai trennen. Bis heute. Gemeinsam steuern wir den Hafen auf Aspö unweit der Drottningskär an, wo wir uns zum gemeinsamen Grillen verabredet haben. Alex kommt aus Karlskrona, wir aus Kristianopel. Über Kurznachrichten haben wir immer Kontakt gehalten, dass wir uns jetzt – vor dem Ende des Törns – noch einmal treffen, freut uns wirklich sehr. Bis weit nach Sonnenuntergang sitzen wir und plaudern über Häfen und Wetter, Städte und Stegnachbarn. Schon morgen segeln wir wieder zu unterschiedlichen Zielen, aber die Vertrautheit, die in den Gesprächen entstanden ist, nehmen wir mit.

Die Co-Skipperin sagt D:
Dosenfutter, also Fertignahrung in Konservendosen, gibt es auch auf diesem Törn nur selten an Bord. Meist kochen wir abends nach dem Anlegen, bei langen Etappen bereiten wir das Essen vorher zu. Gern mischen wir Lebensmittel aus dem jeweiligen Land, in dem wir uns gerade befinden, mit Beständen aus der Heimat. Und dann heißt es: Mahlzeit!

Der Schipper sagt D:
Durststrecke – auch wenn wir trotz Wasserknappheit nie Durst erleiden mussten, haben wir auf den langen Strecken und auch bei Antjes Sturzverletzung so einige Durststrecken gemeinsam durchstehen müssen – aber Durststrecken lassen am Ende das Erfolgserlebnis umso größer erscheinen.

03. September: Bergkvara – Kristianopel (11,5 Seemeilen)
Dem gestrigen Tag mit 14 Segelstunden folgt heute ein kurzer Hüpfer: Allerdings legen wir wieder um 6 Uhr ab, um den guten Wind zu nutzen. Dafür liegen wir schon um 8.30 Uhr im Hafen von Kristianopel, der trotz Saisonende mit heißer Dusche und frischen Brötchen punktet. Genuss pur. Dazu gehören auch der Hafen mit Blick auf den Kalmarsund und das Dörfchen mit bunten Holzhäusern. Auch die Schweden wissen, dass es hier schön ist: Das Café an der winzigen Promenade füllt sich bis zum Abend dieses sonnigen Sonntags stetig. Wir verzichten auf einen Besuch, nehmen dafür abends die zweite heiße Dusche des Tages. Schade, dass man die nicht eintuppern kann …

Der Schipper sagt C:
CO2-Patrone (für die Rettungsweste) nehmen wir das nächste Mal doppelt für jede Weste mit – soooo lange wie wir der Ersatzpatrone für die ausgelöste Co-Skipperinnen-Weste von Kihnu bis Helsinki hinterherlaufen mussten …

Die Co-Skipperin sagt C:
Ohne unser Cockpit funktioniert kein Bordleben: Der knapp 3,8 Quadratmeter große Bereich dient als Esszimmer für alle Mahlzeiten, als Wohnraum zum Lesen, als Arbeitszimmer für das Segeln – und als Platz in der ersten Reihe, wenn das Hafenkino läuft. Im Hafen verwandeln wir das Cockpit gern in einen Wintergarten, wenn wir die Kuchenbude aufbauen. Ach, wenn doch alles so flexibel und übersichtlich wäre…

02. September: Byxelkrok – Bergkvara (72,4 Seemeilen)
Eigentlich planen wir heute den Schlag nach Kalmar, doch dann läuft es so gut, dass wir knapp 30 Seemeilen dranhängen und nach Bergkvara rauschen – unter der Kalmarsund-Brücke hindurch südwärts. Und fürs Protokoll: Wir haben den 57. Breitengrad hinter uns gelassen, befinden uns jetzt auf dem 56. und damit auf Höhe von Blekinge. Dort sind wir im vergangenen Jahr gesegelt, alle Stopps könnt Ihr unter „Südschwedische Schären“ lesen.

Die Co-Skipperin sagt B:
Bastu, die schwedische Sauna, gehört für mich zu den Entdeckungen des Törns. Vor allem jene, die wir in Höga Kusten nutzen konnten. Sie ließen sich mit Holz heizen (allein das ist schon ein Ritual), boten grandiose Ausblicke und ein Bad in der Ostsee als Abkühlung. Ich hätte nie gedacht, wie gut mir das tut und welch spannende Gespräche wir mit Einheimischen in der Hitze führen würden. 

Der Schipper sagt B:
Bagatellschäden halten mich immer in Arbeit – einen repariert, zwei neue auf der To-Do-Liste. Mehrfach war die Serendi nicht ganz dicht (Wellendichtung, Luken, Trinkwassersystem); die Elektrik an Bord ist immer eine Baustelle. Einzig die neu installierte Solaranlage ist – bislang – wartungsfrei. Der eine oder andere unelegante Anleger hat auch Spuren hinterlassen …

01. September: Byxelkrok
Heute beginnt der letzte Sabbatical-Monat, und wir hoffen sehr, dass sich das Wetter auf unseren letzten Etappen bis zum Heimathafen bessert: Es regnet seit Mitternacht, weshalb wir einen entspannten Hafentag einlegen. Vor allem aber wollen wir den Tag nutzen, um einen kleinen, persönlichen Rückblick zu beginnen – nachdem wir Euch über Wochen mit auf die Reise genommen haben. Dazu veröffentlichen wir – jeder für sich – ein spezielles Abc. Jeden Tag erscheint bis Ende September ein neuer Buchstabe mit unseren Gedanken.
Der Schipper sagt A:
Antje, die beste Co-Skipperin unter der Sonne. 4 Monate auf so engem Raum zusammenzuleben ist sicher eine große Herausforderung, die wir bislang – in guten wie in schlechten Zeiten – grandios gemeistert haben.
Die Co-Skipperin sagt A:
Auszeit unter Segeln – das bedeutet mir sehr viel, weil ich mir einen Traum erfüllen und meine Komfortzone verlassen konnte. Dazu gehört für mich auch, psychische und physische Grenzen neu zu definieren. Und ich hätte nicht erwartet, dass ich im Kosmos von Wind, Wellen, Wetter so intensiv vom Alltag abschalten kann.

31. August: Visby – Byxelkrok (47,4 Seemeilen)
Unser Aufenthalt in Visby endet schneller, als wir gedacht haben: Der Wetterbericht prognostiziert am Mittwochabend guten Wind bis Donnerstagmorgen und keinen Regen, während es für Freitag, unserem eigentlich Tag für die Überfahrt nach Öland, eine Warnung wegen Starkregens gibt. Also bereiten wir am Mittwoch zwischen 18 und 20 Uhr das Boot und den Proviant vor und werfen um 3 Uhr nachts die Leinen los. Uns erwartet Genusssegeln, der Wind schiebt uns bei moderaten Wellen in Richtung Westen – und erst zeigt sich der Vollmond, dann die Dämmerung.

Unser früher Start lohnt sich, der Wind hält bis 11 Uhr und lässt damit deutlich später als erwartet nach. Gut 40 Meilen legen wir unter Segeln zurück, das letzte Stück übernimmt der Motor. Fröhlich laufen wir im leeren Hafen von Byxelkrok ein, es bleibt genug Zeit für einen Mittagsschlaf.

Allerdings fahren wir wegen des Frühstarts unsere frisch gewaschene Wäsche durch die Gegend, das Trocknen in Visby hat nicht mehr geklappt. Also hissen wir Handtücher, Shirts, Unterwäsche und Socken zur Begrüßung im neuen Hafen – mal wieder. Immerhin erledigen wir bis zum Abend alle Arbeiten an Deck, der große Regen kann kommen.

30. August: Visby
Über Weltumsegler heißt es oft, dass sie einen großen Teil ihrer Zeit mit unvorhergesehenen Reparaturen verbringen. Das gilt übrigens auch für Ostseesegler. Heute muss der Schipper erst die Logge ziehen, die die Bootsgeschwindigkeit ermittelt: Während der Fahrt nach Visby hatte sich eine Alge um das winzige Rädchen gewickelt und komplett ausgebremst. Kaum ist diese Aufgabe erledigt, reißt der Haken am Stöpsel des Abwaschbeckens, der natürlich richtig tief eingesteckt ist. Also muss der Schipper erst das Gummiteil rauspuhlen und dann eine neue Befestigung basteln. Und beim Aufpumpen der Reifen am Rad der Co-Skipperin versagt dann die Luftpumpe, sodass er von einem geparkten schwedischen Rad einen Ersatz ausborgen muss. Irgendwas ist halt immer.

Immerhin gelangen wir trocken und per Rad nach Kneippby, wo sich die Villa Kunterbunt befindet – in einem Vergnügungspark für Kinder. Doch als wir ankommen, stehen wir vor einem verschlossenen Tor. Die Saison ist zu Ende. Glücklicherweise finden wir eine Zufahrt und damit die Villa, die 1902 als Offiziershaus gebaut und die 1970 in einem Stück nach Kneippby transportiert wurde. Durch die Fenster entdecken wir Pippi im Bett, während Der kleine Onkel in der Ecke des anderen Zimmers steht. Da darf Hügö natürlich nicht fehlen.

Das Ende der Sommersaison spüren wir heute noch öfter: Die Hofläden entlang der Route nach Högklint und zurück nach Visby öffnen alle nicht mehr. Immerhin können wir die Klippen im Högklint-Reservat besuchen, die gibt es ganzjährig als Highlight hoch über der Ostsee zu sehen.

29. August: Lickershamn – Visby (18,4 Seemeilen)
Heute wandeln wir einmal auf den Spuren von Pippi Langstrumpf: In Visby entstanden einst die Filme und die Serie über Astrid Lingrens Heldin – und so besorgen wir uns in der Touristen-Information die Karte mit den wichtigsten Drehorten. Schon auf dem Weg zur Nygatan, durch die Pippi mit ihrem Pferd Der kleine Onkel reitet, staunen wir über die alten Häuser, die sich oft dicht nebeneinander drängen und vor denen meist Stockrosen blühen. Keine Gasse, kein Haus gleicht dem anderen, dafür gibt es wunderschöne Dekorationen aus Blumen und Holz. Ganz klar: Auch ohne die Verbindung zu Pippi Langstrumpf lohnt sich ein Besuch in der Hansestadt.

Wir schauen uns die Stadtmauer an, die bei den Pippi-Filmen immer wieder zu sehen ist und bummeln zu anderen Drehorten – und irgendwann bekommt die Co-Skipperin die Melodie vom Pippi-Langstrumpf-Lied nicht mehr aus dem Kopf, wahrscheinlich wacht sie noch morgen mit „Hey Pippi Langstrumpf“ auf. Es gibt wirklich Schlimmeres, zumal wir morgen noch zur Villa Kunterbunt radeln wollen. In dem Sinne: „Ich mach‘ mir die Welt / Widdewidde wie sie mir gefällt …“

Route von Lustholmen nach Landsort
Hier kommt nun endlich das erwartete Update unserer Route von Lustholmen nach Landsort (Beiträge vom 10. bis 27. August).

28. August: Lickershamn
Der Regen weckt uns am Morgen, die Temperatur in der Kuchenbude knackt gerade mal die 15-Grad-Marke, der Wind schläft: Gut gelaunt entscheiden wir uns angesichts dieser Voraussetzungen für einen Hafentag, zumal die letzten langen Schläge unsere Kraft gefordert haben. Also frühstücken wir entspannt und in dicke Decken eingewickelt und hoffen auf Wetterbesserung. Die stellt sich pünktlich am Mittag ein, damit gibt es keine Ausrede mehr, den geplanten Spaziergang an der Steilküste und zu den Raukar, bizarren Steinformationen, zu verschieben.

Eigentlich hatten wir Lickershamn als Stopp geplant, weil der Hafen strategisch günstig lag. Jetzt stellen wir fest, dass vom Hafen aus wunderschöne Wanderwege entlang der Küste und durch Kiefernwälder führen. Erst wählen wir die seniorengerechte Variante, langsam ansteigend, breit, gemütlich. Doch uns lockt das Wasser, wir gehen am Ufer zurück und halten Ausschau nach versteinerten Fossilien. Wir stecken kleine und große Steine in unsere Taschen und machen uns auf den Rückweg. Der entpuppt sich als Klettertour über abgestürzte Steine und Klippen, also eher sportlich. Aber auch das gelingt uns bei inzwischen bestem Spätsommerwetter – und so langsam stellt sich das Gefühl ein, möglichst noch viel Zeit nutzen zu müssen. Also springt die Co-Skipperin noch einmal ins 15 Grad kalte Wasser. Wer weiß schon, wie lange die Badesaison noch andauert?

27. August: Landsort – Lickershamn (67,8 Seemeilen)
Wir verabschieden uns von den Stockholmer Schären – ohne Stockholm besucht zu haben. Dafür gibt es gleich zwei Gründe: Bei der Weiterfahrt in Richtung Heimathafen wollen wir nicht unter Zeitdruck geraten, zumal wir heute die Bestätigung bekommen haben, dass die Serendi am 28. September ins Winterlager kommt. Zum zweiten, und das ist ausschlaggebend, fühlen wir uns so gut gefüllt mit Erlebnissen und Eindrücken, dass uns eine Stadttour überfordern würde. Mitunter entfallen uns schon jetzt die Namen schnuckeliger Häfen oder exponierter Steine, einfach weil wir so viele schöne Spots erkunden durften. Stockholm samt Götakanal bleibt ein Ziel für die nächsten Jahre.

Heute erreichen wir nach zwölf Stunden hart am Wind den kleinen Hafen Lickershamn auf Gotland. Zwischenzeitlich spekulieren wir, ob wir vielleicht sogar Visby schaffen können. Doch der Wind reicht nicht, die Zeit drängt – und am Abend freuen wir uns über einen beschaulichen Liegeplatz fernab vom Trubel. Uns erstaunen stattdessen die Steilküste und die Rauken, Skulpturen aus einem Kalk-Ton-Gemisch, die wir morgen erkunden wollen. Die Küche kann kalt bleiben, wir haben den Proviant schlicht nicht geschafft – er hätte vielleicht bis Polen gereicht 😅

Und fürs Protokoll: Der 58. Breitengrad liegt hinter uns.

26. August: Stora Bergskär – Landsort (43,6 Seemeilen)
Geradezu im Schnelldurchlauf passieren wir heute die Stockholmer Außenschären: Der Wind bläst reichlich aus Nordost, die Segel ziehen ordentlich, vor allem im Schmetterling. Und doch haben wir dank der geringen Welle genug Zeit, um die Schären mitsamt der roten Häuser zu bewundern, an denen wir vorbeifahren. Segeln kann so entspannt sein, auch wenn eine Tonne, die der Markierung der Route dient, untergetaucht ist. Am Ende frischt der Wind auf, erst fahren wir nur unter Groß, dann nur unter Genua, aber immer mit mehr als fünf Knoten.

Deshalb kommen wir schon am Nachmittag in Landsort an, unserem Absprunghafen nach Gotland. Zwar erwischt uns der Regen beim Anlegen, doch den Seenebel erleben wir heute entspannt im Hafen, was uns nach den Mariehamn-Erfahrungen (Beitrag vom 16. August) freut. Nun hoffen wir, dass der Nebel sich an die Vorhersage hält und über Nacht verschwindet. Wir wären nämlich bereit für Gotland mit Linsensuppe, Bulgursalat, Zimtbrötchen, Äpfel, Möhren, Wurstbroten, Schokolade und Keksen. Und Kaffee natürlich.

Fürs Protokoll: Der 59. Breitengrad liegt hinter uns.

25. August: Sandhamn – Stora Bergskär (3,9 Seemeilen)
Von Null auf 100 in wenigen Stunden: So lässt sich der Tag in Sandhamn zusammenfassen. Bis zum frühen Nachmittag genießen wir das idyllische Dorf inklusive der berühmtesten Schären-Bäckerei, in der wir erst Brötchen, dann Zimtschnecken kaufen. Uns gefallen beim Rundgang die liebevollen Details, mit denen die Bewohner ihre Häuser gestaltet haben. Wir bummeln durch Geschäfte, die den Ausverkauf nach dem Sommer begonnen haben, und spazieren durch Kiefernwald und über Küstenstreifen, wobei wir nur zwei Frauen treffen. Sonst herrscht Ruhe auf der Insel, und wir können nur bedingt die Kritik anderer Segler am übervollen, lauten, zum Teil mit protzigen Booten gefüllten Hafen nachvollziehen. Auch das Värdshus, ein uriges Restaurant, ist am Mittag nicht ausgebucht, als wir die schwedische Spezialität Falukorv, gebratene Fleischwurst, essen.

Bei der Rückkehr in den Hafen aber erleben wir den ersten Kulturschock: Viele Mooringleinen sind belegt, Livemusik hallt durch das Seglerhotel, Aperol Spritz fließt. Das Warmup für das letzte Segelwochenende der Saison beginnt. Egal, wir wollen ohnehin am Abend in eine Ankerbucht fahren, denken wir und machen erst einmal Mittagsschlaf. So opulentes Essen sind wir einfach nicht mehr gewöhnt. Doch dann rauscht eine Motoryacht in unsere Gasse, die sicherlich mehrere Millionen Euro gekostet hat. Der Eigner und sin Fru quetschen sich mit ihrem Schlachtschiff zwischen uns und das Seglerhotel, sodass das Hafenteam hektisch unsere Vorleinen neu sortiert, auf unser Boot springt und die Mooringleine von steuer- nach backbord verlegt.

Eine Mitarbeiterin kann unseren Unmut nur bedingt nachvollziehen. So sei es halt immer im Sommer. Letztlich gehen wir davon aus, dass der Eigner für den exponierten Platz sicherlich ein Vielfaches unserer Hafengebühr bezahlt hat. Aber eigentlich sind wir nur froh, dass wir ohnehin die Abfahrt geplant hatten und tuckern in eine Ankerbucht. Natur pur, keine Musik, keine weiße Wand am Bug. So fühlen wir uns wohl.

24. August: Hallskäret – Sandhamn (41,6 Seemeilen)
Am Anfang des heutigen Schlags steht eine Leiche. Eigentlich mehrere Leichen. Über sie schreibt Viveca Sten in ihren Krimis mit Nora Linde und Kommissar Thomas Andreasson, die in und um Sandhamn spielen. Längst stapeln sich die Bücher auch bei der Co-Skipperin, die sich deshalb die Insel einmal anschauen möchte. Beste Grüße an der Stelle an Olaf und Christine, die schon im Frühjahr die Schauplätze der Morde erkundet haben, an Achim und Melli, die die Krimis ebenfalls lesen, und an Steffi, die das Interesse an der Krimireihe einst geweckt hat.

Bei der Planung stellen wir dann fest, dass auch Segler die Insel gern ansteuern. Hier hat der älteste schwedische Segelklub seine Heimat – den zweitältesten in Lustholmen kennen wir schon (Beiträge vom 6. bis 9. August). Von hier startet die Regatta Rund Gotland, hier gilt das Motto „Sehen und gesehen werden“. Allerdings nur in der Saison, und die ist bekanntlich vorbei, sodass wir keinen überfüllten Hafen fürchten müssen.

Gleich drei Routen plant der Schipper, aber keine davon passt, denn der Wind pendelt nicht nur in der Vorhersage zwischen West und Süd: Wir müssen aber nach Südwesten, also gegen den Wind fahren. Die ersten beiden Stunden sorgen denn auch für schlechte Laune an Bord, wir segeln, aber eigentlich nicht in die Richtung, die wir uns wünschen. Also beschließen wir, den Segeltag zu genießen und bei Bedarf unterwegs einen Hafen anzulaufen. Dann müssten wir am Freitag weiterfahren, um am Wochenende den guten Wind in Richtung Gotland nutzen zu können – der Sandhamn-Tag würde auf wenige Stunden schrumpfen. Meile um Meile routet uns der Schipper zwölf Stunden lang, bei jeder Winddrehung neu und um Steine herum. Und plötzlich scheint das Ziel realistisch, was für absolute Erleichterung sorgt – die trübt auch der Platzregen beim Anlegen nicht.

Wir finden einen Liegeplatz vorm Seglerhotel, einem Mord-Schauplatz und drehen eine erste Runde durchs Dorf – wo die Straßen keine Namen tragen, die bunten Häuser in der Abendsonne leuchten und wir zum ersten Mal seit Mittsommer wieder eine große Gesellschaft im Hotel sehen.

23. August: Rödhamn – Hallskäret (31,3 Seemeilen)
Die Windvorhersage klingt eher mäßig, als wir Schweden ansteuern: wenig Wind bis Flaute und meist gegenan. Doch weil die nächsten Tage nicht wirklich besser aussehen, wir aber in Richtung Heimat aufbrechen wollen, werfen wir frühmorgens die Leinen los – und werden belohnt. Zwar gibt es die Flaute, zwar müssen wir ein kurzes Stück kreuzen, doch am Ende des Tages steht ein Schlag mit fairen Bedingungen.

Um nicht gleich einen Kulturschock mit vielen Booten und noch mehr Menschen rund um Stockholm zu erleben, steuern wir als ersten schwedischen Spot Hallskäret an. Dort lag der Schipper vor zehn Jahren mit Stefan und der Jonas, damals an einem Betonsteg. Der trägt inzwischen ein Holzkleid und lässt sich mit einer Tiefe von 1,70 Metern gut anfahren. Einmal mehr gehört uns eine Schäre allein, wir genießen die Ruhe und Natur gemeinsam mit einem Mink, der an unserem Steg wohnt. Und natürlich mit Mücken. Vielen Mücken. Die werden wir, im Gegensatz zu unseren einsamen Spots, nicht vermissen 🙈

22. August: Bomarsund – Rödhamn (25 Seemeilen)
Wir verabschieden uns mit dem heutigen Schlag von den Ålands, noch einmal führt unsere Route vorbei an kleinen Schären, zumeist bewaldet und mitunter mit kleinen Fischerhäuschen bestückt. Wir denken an jenen Professor aus Rostock, den wir in Haapsalu getroffen hatten. Drei Sommer lang hat er die Schären in Turku erkundet und längst nicht alle gesehen. So ähnlich stellen wir uns Segeltouren durch die Ålands vor. Für den letzten Tag im Archipel nehmen wir uns noch eine Premiere vor: Zum ersten Mal segeln wir über einen See, der nach einem Meteoriteneinschlag entstanden ist. Der Lumparn bleibt uns allerdings vor allem wegen des launischen Windes in Erinnerung.

Der letzte Åland-Hafen, Rödhamn, punktet dann wieder mit Idylle: rote Holzhäuser und Schären, die die Segler im Sommer geradezu blank gelaufen haben. Es kommen aber im Moment nur noch sehr wenige Crews auf die Insel, die auf Solarstrom und ökologisches Leben setzt: Die Saison ist schlicht zu Ende. Vor uns liegen jetzt noch gut fünf Wochen für die Fahrt bis in den Heimathafen, morgen geht es an die schwedische Ostküste und dann in Richtung Südwesten. Immerhin und fürs Protokoll: Seit heute liegt der 60. Breitengrad hinter uns 🥳

21. August: Bomarsund
Wir legen noch einen Hafentag auf den Ålands ein, um die Reste einer russischen Festung zu erkunden – Zeichen der russischen Besatzung zu Beginn des 19. Jahrhunderts, die bis heute wirkt und unter anderem zur Demilitarisierung des Archipels geführt hat. Denn die russische Armee marschierte 1809 auf den Ålands ein und plante eine gigantische Festung, die allerdings wegen des Ausmaßes zwischen 1830 und 1854 nur in wenigen Teilen fertiggestellt wurde. Dann besiegte eine Allianz aus Großbritannien und Frankreich die Russen auf den Ålands, eben in Bomarsund. Die Russen mussten abziehen, die erbauten Teile der Festung wurden zerstört. Zwei Jahre später besiegelte der Pariser Frieden, dass keine militärischen Anlagen mehr auf den Ålands errichtet werden dürfen.

Seit dem aktuellen russischen Krieg gegen die Ukraine rückt das Abkommen wieder in den Fokus, wie Spiegel Online in einem Beitrag berichtet. Es geht um Russlands Konsulat in Mariehamn, das vertraglich gesichert ist. Einige Åländer und Finnen fordern die Schließung, andere die Einhaltung des Vertrages. Einmal mehr beeindruckt uns, wie eng die Geschichte der Ostsee-Anrainer miteinander verwoben ist – und wie schnell ein politisches Gleichgewicht kippen kann.

20. August: Stora Stegskär – Bormasund (30,9 Seemeilen)
Diesen Tag widmet die Co-Skipperin all jenen, die auf dem Maschsee das Segeln lernen und schier verzweifeln, weil es entweder keinen oder zu viel Wind gibt, der zudem ständig dreht und sich an keine Vorhersage hält. Ungeübte stellen sich dann die Frage, ob und was sie falsch machen. Die Antwort könnte an Tagen wie diesen lauten: Nix. Rein gar nix. Unser Wind will heute nur spielen, meist ein Geduldsspiel. Nun liegt die ganz große Stärke der Co-Skipperin nicht in der Gelassenheit, sodass Chips zwischenzeitlich die Nerven beruhigen müssen. Der Schipper schaut eher meditativ die Landschaft an und bewundert beim Stehend-Segeln die Idylle. Belohnt werden wir beide mit einem wunderschönen Hafen, den schroffe, zerklüftete Felsen und eine einst von Russen gebaute, dann zerstörte Festung umgeben. Omm.

19. August: Stora Stegskär
“Nur eine tote Mücke ist eine gute Mücke“, lautet das Motto des Tages, den wir an der Stora Stegskär verbringen. Zwar nerven uns die kleinen Plagegeister, doch für die Weiterfahrt nach Bomarsund fehlen uns Motivation und Wind. Also holen wir die Elfi aus der Achterkammer und paddeln mit dem Kanu um die Schäre, schließlich wird sich die Gelegenheit nicht mehr allzu oft auf dem Törn bieten.

Vor allem aber widmen wir uns dem Schwimmen: Seit vorgestern gehört ein Wasserthermometer zum Hausrat, das hatten wir zuvor schmerzlich vermisst. Seitdem muss jeder an Bord einen Tipp abgeben, am Morgen liegen wir beide falsch. Genau 15 Grad messen wir, da hatten wir mehr vermutet. Am Abend erreichen wir sensationelle 16 Grad, doch auch die reichen nicht für entspanntes Schwimmen – es sei denn, man oder frau trägt den dicken Neoprenanzug. Wir zählen eben definitiv nicht zum Stamm der Wikinger, weshalb wir nach dem Schwimmen auch sofort warme Klamotten (am besten aus Wolle) anziehen.

Zudem können wir wieder schlemmen: In Mariehamn haben wir die Bestände an Schokolade, Keksen und Chips aufgefüllt. Das sorgt für gute Laune an Bord, auch wenn Gesundheitsexperten vielleicht kurz zucken. Aber meist ernähren wir uns zucker- und salzarm …

18. August: Mariehamn – Stora Stegskär (6,3 Seemeilen)
Die Ålands wollen wir vor unserem letzten großen Teilstück nach Kiel noch nutzen, um an Schären zu ankern und uns etwas zu erholen. Der heutige Schlag fällt entsprechend kurz aus, und irgendwann am Nachmittag kommt auch die Erholung – nachdem wir die Serendi beim Anlegen erst leicht auf einen Stein gesetzt und mit dem Heckanker wieder heruntergezogen haben, finden wir einen guten Platz zum Anlegen. Wasser unterm Kiel ist eben nicht schädlich. Wie immer gilt an der Schäre: Improvisation ist gefragt. Mit einem Kranschlupf binden wir den Backbordbug an Steinen an Land fest, mit zwei Schärennägeln und Leinen den Steuerbordbug. Damit die Leinen am Stein nicht scheuern, bekommen sie kurze Stücke vom Wasserschlauch als Überzieher – all das (und noch viel mehr) fahren wir seit Saisonbeginn durch die Gegend. Frei nach dem Motto von Sabine aus LA: Haben ist besser als brauchen.

Dann aber genießen wir die einsame Schäre, die sich nach Westen zur Ostsee öffnet, beobachten die Fähren nach Mariehamn, erkunden den Stein samt Pflanzen und beobachten, wie die Sonne untergeht. Letzteres am Ende unter Deck: Die Mücken hier freuen sich über frisches Blut, sodass wir flüchten müssen. Selbst das Paradies ist nicht perfekt 😅

17. August: Mariehamn
Seefahrt und die Ålands: Das gehört seit Jahrhunderten zusammen, wie wir bei einem Besuch im Seefahrtsmuseum und vor allem auf dem Viermaster Pommern erfahren. Auf drei Decks gibt es Einblicke, wie hart das Leben an Bord einst war – etwas Luxus gönnt sich nur der Kapitän. Dessen Job übernimmt heute Hügö, der wahlweise ein Bad nimmt, die Bar erkundet und im Bett vom Boss schläft. Aber im Ernst: Während wir mal eben schnell unsere Vorräte auffüllen, mussten die Seefahrer früher oft hart arbeiten und gleichzeitig den Proviant strecken, wenn die Fahrt wegen einer Flaute mal wieder länger dauerte. Nach gut drei Stunden kann die Co-Skipperin keine Infos mehr aufnehmen, der Schipper ist nach vier Stunden „abgefüllt“. Die Pommern und das Museum empfehlen wir Großen und Kleinen gleichermaßen, das Ticket gilt für zwei Tage – falls jemand länger in Mariehamn bleibt.

Am Nachmittag treffen wir Inese in einem Åland-Laden, wo heimische Produzenten ihre Waren – Honig, Saft, Tee, Seife – verkaufen. Eigentlich stammt sie aus Ventspils in Lettland und über die Stadt kommen wir schnell ins Gespräch (Beitrag vom 23. Mai). Als 14-Jährige kam Inese mit ihren Eltern auf die Ålands, dann zog es sie nach Großbritannien, nun lebt sie mit ihrer Tochter wieder auf den Ålands und stellt Kosmetik her. Spricht sie über das Archipel, dann gerät sie ins Schwärmen – für die Menschen, so bezeichnet sie ihre Kollegen fast als Familie, und für die Landschaft. Nur im Winter, sagt sie, sei es hier ziemlich tot. Das glauben wir sofort, denn da fehlen die Touristen, die aktuell noch Abwechslung und Geld bringen.

16. August: Käringsund – Mariehamn (23,8 Seemeilen)
Eigentlich gehen wir beim Ablegen in Käringsund von einem entspannten Schlag nach Mariehamn, der Hauptstadt und der ohnehin einzigen Stadt auf den Ålands, aus: Der Wind passt, die Wellenhöhe ist überschaubar, die Distanz auch. Doch auf der zweiten Hälfte der Strecke zieht dichter Seenebel auf, den wir dank der Erfahrung aus Finnland frühzeitig bemerken. Doch es gibt keine Alternative, wir müssen uns durcharbeiten – wobei uns fasziniert, dass diesen Nebel auch ordentlicher Wind begleitet. Mit gut sechs Knoten schieben wir uns gefühlt durch Watte, beobachten die anderen Boote auf dem AIS-Plotter und versuchen, das Konzert der Nebelhörner zu verstehen.

Die erste grüne Tonne des Fahrwassers taucht vor dem Bug auf, und mit Hilfe von Kartenplotter und schwacher Sicht navigieren wir in Richtung Mariehamn – wo wir uns die Einfahrt plötzlich mit drei Fähren teilen müssen, deren Nebelhörner wir zuvor gehört haben. (Fast) Blindflug ist doch noch mal eine ganz neue Erfahrung…. Selten atmen wir so tief durch wie heute, als die Serendi am Steg und in Sichtweite der Pommern festmacht. Das berühmte Museumsschiff verschwindet wie alles andere bis zum späten Nachmittag im Dunst. Dann löst sich der Nebel auf, und wir freuen über einen warmen Spätsommerabend, den wir mit einem ersten Bummel zwischen alten Holzhäusern verbringen.

15. August: Käringsund
Der Wecker wirft uns nach der gestrigen Windvorhersage um 5.30 Uhr Ortszeit (4.30 Uhr in Deutschland) aus dem Bett. Wir ziehen alle Bettwäsche ab und wollen möglichst früh eine Waschmaschine einschalten, ehe wir nach Mariehamn ablegen und den guten Wind nutzen. Doch der hat sich über Nacht verzogen, er bläst gegenan – zum Kreuzen fehlt uns die Motivation. So groß ist die Sehnsucht nach Chips und Schokolade nicht. Also entscheiden wir uns zum Sonnenaufgang für einen Hafentag und erledigen noch mehr Wäsche, warten das Klo, reparieren die Halterung des Pinnenauslegers, zählen die Konservendosen an Bord und erholen uns einfach bei einem Spaziergang durchs Dorf.

Der führt uns erst ins Heimatmuseum, wo wir endlich den ersten Elch der Reise treffen – wenn auch nur ausgestopft – und dann ins Post- und Zollmuseum in Eckerö, wo wir Kunsthandwerk bestaunen. Das gelbe Gebäude stammt aus dem frühen 19. Jahrhundert und erinnert an die Zeit der russischen Besatzung – es war über mehr als 100 Jahre der russische Grenzposten in Richtung Schweden. Einmal mehr fällt uns auf, welchen geopolitischen Einflüssen die Ostseeinseln unterlegen waren, während wir heute ohne jede Grenzkontrolle von Insel zu Insel und Küste zu Küste reisen können, mit Ausnahme Russlands. Das ist beim Blick in die Vergangenheit durchaus nicht selbstverständlich.

14. August: Noorfjärden – Käringsund (39,6 Seemeilen)
“Man kann nicht alles haben“, sagt der Schipper am Abend, „entweder genießen wir in der Kuchenbude den Sonnenuntergang oder wir hängen die Wäsche zum Trocknen auf.“ Die Entscheidung fällt für trockene Kleidung, immerhin konnten wir heute nach zwei Wochen wieder waschen. Und nach fünf Tagen wieder duschen. Damit sind wir bereit, morgen nach Mariehamn, die Hauptstadt der Ålands, weiterzusegeln. Dort fehlt im Hafen die dringend benötigte Waschmaschine, sodass wir Handtücher und das Bettzeug vorm Frühstück noch hier in Käringsund waschen und die sauberen Sachen dann zur Begrüßung in Mariehamn hissen. Uns kennt da ja keiner

Wir freuen uns noch einem heute perfekten Segeltag auf zwei Tage, an denen wir die Hauptstadt des Archipels erkunden wollen – auch der Proviant braucht eine Auffrischung. Der Einkauf ist notwendig, bevor wir die Heimreise fortsetzen. Nur noch eine Tüte englische Weingummis findet sich an Bord, nur noch eine Schokolade, null Chips. Ihr seht doch auch das Problem, oder?

13. August: Rödhällsfjärden – Ankerbucht Norrfjärden (16,5 Seemeilen)
Einmal noch werfen wir den Anker, ehe es morgen in die Ålands geht: Vor der traumhaften Kulisse vor Norrfjärden parken wir die Serendi ein, dann genießen wir nach einem kurzen Schlag mit perfektem Wind den Nachmittag und Abend samt Sonnenuntergang. Im Gegensatz zur Höga Kusten können wir jetzt wieder weit über Land und Wasser schauen, während sich der Himmel verfärbt. Erwähnten wir schon, dass der Ostseehimmel unser liebster Himmel ist?

Nach dem eher entspannten Segeltag gibt es dann noch eine Premiere: Der Schipper holt die Angel aus der Achterkammer und versucht zum ersten Mal, einen Fisch zu fangen. Wie gut, dass wir noch Konserven in den Backskisten haben. Denn die Fische beißen nicht, obwohl sich der Schipper noch kurz die wichtigsten Tipps im Kinderbuch „Das große Buch vom Angeln“ anschaut. Auch das Auswerfen der Angel mal an Back- und mal an Steuerbord hilft nicht. Dabei wissen die Fische gar nicht, was ihnen entgeht: Sie könnten doch im Kühlschrank mit zu den Ålands reisen.

12. August: Kusö Kalv – Ankerbucht Rödhällsfjärden (47 Seemeilen)
Der heutige Tag gilt als Serendi-Herbstanfang: Der Schipper segelt wieder mit langen Unterhosen. Die Co-Skipperin hat ihre in diesem Sommer nur an wenigen Tagen ausgezogen, sie gilt nicht als Maßstab. Passend zu den kühlen Temperaturen an Land – und besonders auch im Wasser – gibt es in unserer heutigen Ankerbucht warme Kuscheldecken und steifen Grog.

Diese Bucht teilen wir ausschließlich mit Wasservögeln, darunter auch Seeadler. Ein Pärchen hatte uns in Lustholmen schon fasziniert, als es abends immer dicht an der Sauna vorbeiflog, einmal mit einem Möwenküken als Beute. Doch der Ornithologie können wir uns nur eingeschränkt widmen, wir müssen die nächsten Tage planen, die wir auf den Ålands verbringen wollen, und wir müssen die stolzen 164,7 Seemeilen (305 Kilometer) feiern, die wir an den vergangenen drei Tagen geschafft haben.

11. August: Hölick – Ankerbucht Kusö Kalv (44,3 Seemeilen)
Ein Segeltag für Genießer: Zwar regnet es morgens noch, als der Schipper den Riss in der Sprayhood repariert. Doch beim Ablegen kommt die Sonne raus, der Wind frischt auf – bis zum Abend verwöhnt uns das Wetter. Das haben wir uns nach dem gestrigen Tag auch verdient, finden wir. Und weil alles so gut läuft, lassen wir den geplanten Hafen Storjungfrun rechts liegen und segeln weiter bis zur Ankerbucht Kusö Kalv, die wir größer erwartet hätten – zumal schon zwei weitere Boote dort für die Nacht festgemacht haben. Im zweiten Anlauf finden wir einen guten Ankerplatz, windgeschützt und tief genug.

Inzwischen müssen wir bei der Törnplanung beachten, dass die Tage wieder kürzer werden. Irgendwie hatten wir uns im Norden schon an die hellen Nächte gewöhnt. Dafür können wir jetzt bald die Kerzen und endlich auch den Leuchtturm rauskramen. Nicht, dass die Dinge unbenutzt wieder zurückfahren. Das passiert hoffentlich nur mit dem Käsehobel, der vergeblich auf seinen Einsatz wartet.

10. August: Lustholmen – Hölick (73,4 Seemeilen)
Unsere Nachbarlieger in Lustholmen haben mehrfach betont, dass bei ihnen die Segelsaison jetzt endet. Seit heute wissen wir auch den Grund: Es regnet über Stunden, und die Temperatur fällt nach dem Sturm so, dass wir am Abend die Dieselheizung anwerfen müssen.

Dabei beginnt der Schlag sogar mit sonnigem Himmel, als wir schweren Herzens Lustholmen mit den netten Menschen, der Sauna samt Seeadler-Blick und Ostseestrand verlassen. Der Wind bläst reichlich, weshalb wir dann doch ordentliche Wellen über 13 Stunden genießen dürfen. Die Hälfte davon eben im Dauerregen, wobei vor allem der Schipper den Elementen ausgesetzt ist. Die Co-Skipperin verschläft mit Wärmflasche Ulli einen Großteil des Tages unter Deck. Ist eben anstrengend, solch eine Auszeit.

Gänzlich unklar ist uns beiden aber, weshalb unsere Sprayhood an der Steuerbordseite gerissen ist. Möglicherweise ist eine Schot beim Reffen dagegen geschlagen, eine andere Ursache könnte eine der großen Wellen gewesen sein, die die Serendi heute immer wieder fluten. Wir kleben die Restbestände auf See notdürftig im Regen ab, morgen gibt es bei hoffentlich trockenem Wetter neues Tape. Den verwegenen Anblick nimmt die Serendi aber in jedem Fall mit nach Kiel – repariert wird erst im Winterlager.

9. August: Lustholmen/Härnösand
Der Sturm verschont uns in der Nacht, doch die Wellen bleiben hoch. Deshalb verbringen wir noch einen Tag in Lustholmen – mit Blaubeeren, Besuch auf einem anderen Boot, Sauna und vor allem mit der Routenplanung. Gleich fünf Häfen in unterschiedlichen Distanzen stehen morgen zur Auswahl, weil wir in unserem geschützten Hafen schlicht nicht einschätzen können, was uns draußen an Wellen erwartet. Um möglichst viel Zeit nutzen zu können, klingelt der Wecker übrigens um vier (!) Uhr.

8. August: Lustholmen/Härnösand
Seit heute Mittag stürmt es: Vor unserem kleinen, geschützten Hafen rollen die Wellen, auf der Insel, an der sich der Steg befindet, ist ein gut zehn Meter hoher Baum umgestürzt, und Boote sind seit dem Nachmittag nicht mehr zu sehen. Wir fühlen uns an unserem Liegeplatz mit vier Vorleinen und zwei Leinen an Mooringbojen aber dennoch sicher – und hoffen, dass es heute Nacht so bleibt. Immerhin verschont uns der Regen …

Langeweile kommt auch am Sturmtag bei uns nicht auf, erst spazieren wir zum Golfplatz, dann ernten wir Blau- und Himbeeren, dann muss der Schipper das Holz für die Sauna vorbereiten (und die natürlich einheizen) und dann an Grafiken arbeiten. Denn aus LA kommt von Andreas und Birgit der Wunsch, die Route zu sehen – andere von Euch hatten ja auch schon nachgefragt, aber wie so oft fehlte die Zeit 🙈 Wir haben sie aktuell in vier verdauliche Bilder gepackt: Die erste zeigt die Strecke von Swinemünde bis Helsinki (2. Mai bis 13. Juni), die zweite die Strecke von Helsinki bis Stokorshamn (16. Juni bis 6. Juli), die dritte von Stokorshamn bis Grisslan-Vågön (7. Juli bis 26. Juli) und die vierte die Etappen von Grisslan-Vågön bis nach Lustholmen (28. Juli bis 6. August). Weitere werden folgen.

7. August: Lustholmen/Härnösand
Unser Shuttle nach Härnösand startet um 11 Uhr, als Håkan und Eve uns am Steg einsammeln und mit ihrem Boot in den Stadthafen fahren. Ihre Ferien enden am Donnerstag, jetzt wollen sie „Klar Schiff“ machen. Auf dem Weg erzählen sie, dass sie nur im Sommer in Härnösund leben. Dann arbeitet Håkan als Tischler. Im Winter wohnen sie in den Bergen, dann ist er Busfahrer für Touristen. Eve arbeitet als Ökonomin im Homeoffice, egal ob am Meer oder in den Bergen.

Beide versorgen uns noch mit Tipps für den Stadtbesuch, dann bekommen wir Håkans Telefonnummer und die Einladung, dass er uns mit dem Auto vom Supermarkt zurück zum Hafen fährt. Das nehmen wir gerne an, erkunden das Automuseum mit vielen Schätzchen, aber auch unrestauriertem Schrott und die zugegeben etwas kleine Altstadt. Abends sammelt uns Håkan wieder ein, echte Gastfreundschaft, denn die Fahrt dauert gut 20 Minuten.

Das wichtigste Thema in der Stadt, im Auto und am Steg: das tropische Wetter nach heftigen nächtlichen Regengüssen. Denn in Finnland gibt es große Hitze, die der Ostwind nach Schweden bläst. Wir gehen trotzdem in die Sauna, auch wenn selbst die Handtücher bei dieser hohen Luftfeuchtigkeit nicht mehr trocknen.

6. August: Bönhamn – Lustholmen/Härnösand (20,2 Seemeilen)
Wo verstecken wir die Serendi am besten vor dem Sturm, der von Südost über Ost auf Nordost drehen soll? Lohnt es sich, am Montag noch zu segeln – auch wenn schon Wellen mit mehr als 1,50 Metern prognostiziert sind? Immer wieder überlegen wir, welche Strategie am besten funktionieren könnte. Zumal heute guter Ostwind bläst und wir unter Umständen bis Spikarna hätten fahren können. Doch der Hafen liegt eben nicht ausreichend geschützt, sollte die Sturmvorhersage auch wirklich eintreffen.

Deshalb entscheidet der Schipper, den kleinen Naturhafen Lustholmen bei Härnösand anzusteuern. Der entpuppt sich als sehr geschützt mit ausgesprochen freundlichen Vereinsmitgliedern, mit denen wir am Abend die Sauna mit der bisher größten Panorama-Scheibe und Blick auf Wasser und Schäre genießen. Ein Sandstrand zwischen Sauna und Ostsee, perfekt. Wir entscheiden uns voraussichtlich bis Donnerstag hier zu bleiben.

Den Besuch in Härnösand haken wir gedanklich ab, fürs Radeln in Sturm und Regen ist der Weg zu weit, Bus und Bahn fahren hier nicht. In der Sauna erhalten wir dann das Angebot eines anderen Seglers, morgen mit ihm in die Stadt mit dem Auto zu fahren. Das passt zu unserem Eindruck in Schweden: Die Menschen, mit denen wir über Häfen oder Landschaft oder lohnenswerte Ziele sprechen, schwärmen für ihre Heimat – das lassen sie die Gäste spüren, die sich wohlfühlen sollen.

5. August: Mjältön – Bönhamn (14 Seemeilen)

Heute lassen wir mal Bilder sprechen, denn der Blick auf Höga Kusten von Mjältons Hausberg auf 236 Metern Höhe ist nur schwer in Worte zu fassen: Kleine und große, hohe und weniger hohe, aber stets bewaldete Inseln mit rotem, grauem, schwarzem oder fast weißem Gestein bilden das Panorama. In Finnland hatten uns viele von der besonderen Natur der Höga Kusten vorgeschwärmt (was wir angesichts der tollen Außenschären etwas schräg fanden), längst aber teilen wir die Begeisterung – zumal die Felsen meist steil ins Wasser fallen und damit die Navigation deutlich einfacher ist. Gerne würden wir noch mehr Tage hier verbringen, doch uns zieht es südwärts. Ab Montagmittag droht ein kräftiger Sturm, dann wollen wir in einem sicheren Hafen liegen. Trifft die Vorhersage bei Wind und Wellen ein, kommen wir frühestens am Donnerstag weiter. Heute stoppen wir erst einmal in Bönhamn, und auch dieses Örtchen empfehlen wir von Herzen allen, die die Höga Kusten besuchen wollen.

4. August: Norra Ulvön – Mjältön (4,6 Seemeilen)
Geprellte Co-Skipperinnen sollten Sauna-Gänge auf Rezept bekommen – oder Stegnachbarn wie Mats finden, neben dem wir in Mjältön nach einem kurzen Sprung aus Ulvöhamn anlegen. Zu dem Zeitpunkt bereitet der Schwede gerade mit seiner Kettensäge das Holz für die Sauna vor, beides – Holz und Säge – transportiert er auf seinem Segelboot vom Heimathafen Ö-Vik in den wunderschönen Naturhafen. Von Mai bis September fast an jedem Wochenende, erzählt er dem Schipper und lädt uns gleich mit in die Sauna ein. Wir müssen nix machen außer genießen, und das können wir gut. Inklusive der geprellten Rippen.

Nach den durchaus belebten Häfen von Trysunda und Ulvöhamn, wo wir vormittags noch ein Fischermuseum und die alte Kapelle besuchen, gibt es auf Mjältön vor allem Ruhe und Natur. Allerdings nehmen wir wieder einmal unfreiwillig am schwedischen Mückenzuchtprogramm teil. Für den morgigen Aufstieg auf die mit 236 Metern höchste Insel der Höga Kusten werden wir uns präparieren müssen, um nicht komplett zerstochen zu werden.

3. August: Trysunda – Norra Ulvön (13,6 Seemeilen)
Der Regen verzieht sich über Nacht, die Co-Skipperin kann trotz der Rippenprellung dank der Medikamente wieder die Serendi steuern – es gibt keinen Grund, unseren Aufenthalt im idyllischen Trysunda zu verlängern. Der Abschied fällt uns nicht schwer, mit Norra Ulvön wartet schon das nächste Idyll auf uns. Einst Fischerdorf und Zentrum der Surströmming-Produktion (Beitrag vom 28. Juli), dient der Naturhafen heute als Spot für Touristen wie uns.

Der Abend entwickelt sich dann zum Treffpunkt der Trysunda-Segler. Erst treffen wir Daniel – Zahnarzt aus Wiesbaden mit inzwischen eigener Klinik in Lappland – und seine Frau Letizia wieder, mit denen wir noch am Montag in Trysunda über die Unterschiede zwischen Schweden und Deutschland gesprochen haben. Dann legt eine schwedische Frauen-Crew neben uns an, die bereits am Montag unsere Nachbarn waren. Es fasziniert uns immer wieder, wie sich die Routen der Boote kreuzen, ohne dass wir uns abgesprochen haben.

Und fürs Protokoll können wir vermelden, dass wir die erste der beiden Fünf-Kilo-Gasflaschen aufgebraucht haben – trotz der geöffneten Brotbäckerei … Eigentlich könnten wir mit unserem Gasbestand fast bis Weihnachten weitersegeln 🤣 Unser Diesel reicht sicherlich nicht, auch wenn wir den Tank mit satten 24 Litern heute endlich füllen konnten. Den braucht die Co-Skipperin in jedem Fall für die Heizung. Der nächste Winter kommt bestimmt.

31. Juli bis 2. August: Trysunda
Außerhalb unseres kleinen Hafens tobt der Wind, schüttet es zum Teil stundenlang. Wir genießen unseren Liegeplatz und dank Christine schwarzen Tee mit echtem Wiesenau-Honig. Für morgen gibt es Hoffnung auf die Weiterfahrt, wir sind gespannt …

30. Juli: Ö-Vik – Trysunda (16,8 Seemeilen)
Der Naturhafen von Trysunda gilt als einer der schönsten Spots in Höga Kusten – das können wir komplett bestätigen. Und deshalb beschließen wir am Nachmittag, mindestens zwei Tage zwischen den falunrot gestrichenen Häusern zu verbringen. Es könnten sogar noch mehr werden: Die Co-Skipperin stürzt abends beim Verlassen des Bootes auf die Vorleine (der Schwell der Fähre Minerva war zu stark) und prellt sich Rippen und Brustkorb, sodass die Ibuprofen nun zum Einsatz kommen. Also genießen wir weiterhin den Blick auf die Bucht aus der ersten Reihe 😍 Wir melden uns, wenn wir nach Ulvön weitersegeln, bis dahin legen wir eine Auszeit von der Auszeit ein.

29. Juli: Ö-Vik
Uns fehlt eindeutig das Training für abendliche Partys – nach dem gestrigen Surströmming-Essen schwächeln wir und schaffen außer unserem Einkauf nichts. Rein gar nichts. Naja, der Schipper tankt noch Trinkwasser, ehe wir morgen die Höga Kusten weiter südwärts segeln. Dann müssen wir uns auch wieder mehr um die Serendi kümmern, der ein grüner Algenbart wächst, den wir nur mit einer kräftigen Bürstenmassage vom 17 Grad kalten Wasser aus bekämpfen können.

28. Juli: Grisslan-Vågön – Örnsköldsvik (11,4 Seemeilen)
Wir könnten jetzt viel über die besondere Landschaft schreiben, die uns fasziniert: Wir segeln zwischen den Bergen der Höga Kusten, die zum großen Teil mit dichtem Nadelwald bewachsen sind. Der Schipper sagt deshalb: Segeln wie im Schwarzwald. Aber den Tag prägt etwas anderes. Zum einen verlassen wir unser Paradies, schauen kurz in eine überfüllte Badebucht und entscheiden uns deshalb für eine andere Bucht. Dort ankern wir – allein und in absoluter Ruhe, nur von einigen vorbeifahrenden Motorbooten unterbrochen. Diese Vielfalt an schönen Plätzen ist es, was uns gefällt.

Doch weil für den Abend schlechtes Wetter angesagt ist, verlegen wir die Serendi in den Hafen von Örnsköldsvik, von Einheimischen kurz Ö-Vik genannt (dem schließen wir uns an). Wir wollen in der Stadt gleich unsere Vorräte auffüllen und tanken. Doch die Tankstelle im Hafen ist gesperrt, das sehen wir aber erst nach dem Anlegen. Dafür taucht Berit auf, sie bietet uns einen Liegeplatz an. Dort liegt normalerweise das Boot ihres Onkels, und der ist gerade unterwegs. Wir nehmen das Angebot gerne an, die freie Box liegt nur wenige Meter von der Tankstelle entfernt. Und wir nehmen die Einladung an, in kleiner Runde mit Berit, ihrem Mann Anders und Cousine Ines den berühmt-berüchtigten Surströmming zu testen. Das steht bei der Co-Skipperin noch auf der To-Do-Liste. Nun, wir haben es überlebt – Anders hatte die faulig-stinkende Dose schon vor unserer Ankunft geöffnet, und mit roter Zwiebel und Curry-Mayo schmeckt der Fisch deutlich besser als wir gedacht hätten.

Mitbringen werden wir die besondere Delikatesse übrigens nicht, zu groß ist die Gefahr, dass eine der Dose explodiert. Der Gestank hat schon Flugzeuge zur Notlandung gezwungen und zu fristlosen Kündigungen von Mietern geführt. Schließlich gammelt der Fisch in Salzlake wochenlang vor sich hin, ehe er in Konservendosen kommt, die ab Mitte August verkauft werden. Unser Surströmming stammte noch aus dem vergangenen Jahr und musste weg, wie Berit sagt. Geschafft.

Impressionen eines wunderbaren Abends – und großer Dank für die Gastfreundschaft.

27. Juli: Grisslan-Vågön
Spazieren, schwimmen, saunieren: Daraus besteht heute der Triathlon im Paradies. Bei bestem Sonnenschein tanken wir unsere Akkus auf, denn seit dem Stopp in der Ankerbucht von Modermagan (Beitrag vom 21. Juni) ist dies gefühlt der erste Urlaubstag.

Dabei kümmern wir uns ganz besonders um unsere Versorgung: Zwar hat der Schipper immer noch nicht die Angel ausgepackt, aber beim morgendlichen Rundgang über die Insel entdeckt er einen Fischer, bei dem die Co-Skipperin später zwei Fische erbeuten kann. Endlich kommen auch die Grillschalen zum Einsatz. Und dann sammeln wir noch die ersten Blaubeeren der Saison, da lacht das Gourmet-Herz.

26. Juli: Norrbyskären – Grisslan-Vågön (39,5 Seemeilen)
Wir sind schockverliebt in unseren heutigen Hafen, der genau für ein Boot, nämlich die Serendi, reicht. Lange Zeit hatte der Schipper recherchiert, um dann zufällig einen schönen Spot für unser nächstes Etappenziel, die Höga Kusten (Hohe Küste) zu finden. Die Wahl fiel auf Grisslan-Vågön, obwohl sich der Hafen in keiner offiziellen Seekarte findet. Also tuckern wir nach neun Stunden Segeln gemächlich durch die enge Passage zwischen den beiden Schären, dann nach links in den noch engeren Sund und quasi in Trippelschrittgeschwindigkeit an den Steg, weil uns die Tiefenangabe fehlt. Alles passt, vor dem Bug beträgt die Tiefe noch 1,20 Meter, aber die Serendi liegt sicher – und wir bewundern Dörfchen und Landschaft. Mehr Idyll geht kaum.

Hinzu kommt: Unser Steg grenzt direkt an die vier Meter entfernte Sauna, die ebenfalls auf einem Schwimmsteg steht. Wir heizen sie abends ein, genießen den Blick auf den Sund und fühlen uns auf den schaukelnden Bänken wie auf dem Boot. Diese Stimmung passt zu unserem Vorhaben, uns an der Höga Kusten etwas zu erholen. Wir merken die langen Schläge der vergangenen Tage und wollen es jetzt gemächlicher angehen lassen.

25. Juli: Ratan – Norrbyskären (44,2 Seemeilen)
Sonne ergänzt heute den perfekten Segeltag von gestern: Wir rauschen mit Rückenwind weiter in Richtung Süden – und weil es so gut läuft, lassen wir den geplanten Hafen in Simphamn aus und legen an der Stuguskär in den Norrbyskären an. Durchaus irritiert, denn die Brücke gleicht eher einer Skaterrampe oder Mountainbikestrecke als einer Hafenanlage – und das, bevor die Co-Skipperin angelegt hat. Ich schwör 😅

Wir wollen hier nicht die spannende Geschichte der Inselgruppe nacherzählen, die Historie um das Sägewerk und die Arbeiterwohnungen (heute oft Feriendomizile) findet sich vielfältig im Netz. Uns fallen vor allem die riesigen Erdarbeiten mit temporären Straßen auf, sie dienen dazu, ein Erbe der Industrialisierung zu beseitigen. Denn der Boden ist mit Dioxin verseucht und muss umfassend saniert werden. Ob die Wracks, die in diversen Gewässern liegen, dabei auch entsorgt werden, erfahren wir nicht. Aber es gibt Chips im Dorfkiosk, der ausschließlich auf Vertrauensbasis und ohne Schließzeiten öffnet. Das Leben kann so schön sein.

24. Juli: Bjuröklubb – Ratan (39,0 Seemeilen)
Der Wind und die Wellen schieben uns heute rasant in Richtung Süden, wir fahren selten mit weniger als fünfeinhalb Knoten nach Ratan. Der Segeltag bereitet uns vor allem auch deshalb so viel Freude, weil der angesagte Regen – der gestern Abend eingesetzt hatte – heute ausfällt. Solche entspannten Tage nehmen wir gern.

Wie schon Bjuröklubb – wo im Laufe der Nacht noch zwei weitere große Boote festgemacht haben – können wir auch Ratan sehr empfehlen: Im Gästehaus gibt es eine mit viel Holz eingerichtete Küche, rund um den Ort schöne Wege. Und wer genau hinschaut, entdeckt viele Trolle auf und unter den Steinen und Bäumen. Wir müssen uns jetzt nur noch merken, beim Spazierengehen eine Tupperschale einzustecken. Die ersten Blaubeeren sind reif. Endlich 🫐🫐🫐

23. Juli: Bureå – Bjuröklubb (13,8 Seemeilen)
Eigentlich wollten wir vorgestern schon in Bjuröklubb anlegen, aber dann kamen der Regen und die Flaute. Heute nun schaffen wir den kurzen Schlag bei leichtem Wind ganz problemlos und liegen am frühen Nachmittag allein in dem winzigen Hafen, dessen Größe uns vorab einige Kopfzerbrechen bereitet hat. Denn andere Segler berichten von übervollen Stegen, davon sind wir heute weit entfernt. Im nahegelegenen Café aber tummeln sich die Touristen, für uns nach den abgeschiedenen Häfen durchaus ungewohnt.

Umso mehr freuen wir uns, dass das Reservierungsbuch für die Sauna mit Hafenblick jungfräulich ist. Wir tragen uns für den Abend ein und reagieren etwas überrascht, als zu unserer Zeit ein junges Pärchen in die Sauna zieht. Der Schipper winkt fröhlich und erklärt unsere Buchung, aber auch großzügig, dass das Pärchen mit uns saunieren darf. Die beiden winken fröhlich zurück und verschwinden in dem Gebäude, das durchaus mit Pite Rönnskär (Beitrag vom 21. Juli) mithalten kann. Als wir uns schließlich auf den Weg machen, entdecken wir neben der Tür einen kleinen Postkasten mit (Voila!) dem richtigen Buch für Reservierungen. Das Pärchen nimmt die Situation sportlich und bietet uns heißes Asyl an, das wir gerne nutzen 🧖‍♀️🧖

22. Juli: Bureå
Der Wind legt heute eine Ruhepause ein – was uns durchaus entgegenkommt. Denn die vergangenen Tage fordern ihren Tribut, wir fühlen uns erschöpft und müssen endlich mal ausschlafen. Dafür nutzen wir fast den ganzen Tag, mit Ausnahme einer Yoga- und einer Sauna-Einheit im leeren Hafen.

Damit finden wir endlich Zeit, einige wesentliche Fragen zu beantworten. Die meisten drehen sich um des Schippers Bart. Der ist echt und wird bis Törn-Ende auch nicht gestutzt. Einzige Ausnahme: Heute schneidet der Schipper die „Futterluke“ frei. Und noch immer denkt er über das Jobangebot aus Bremen nach, den Bart bis 6. Dezember wachsen zu lassen und sich dann als Nikolaus einzufinden. Okay, Öli und Heike?

Dann können wir verkünden, dass in den Backskisten und Bilgen schon nackte Bootshaut zu sehen ist. Wir futtern uns durchs Sortiment und stellen fest, dass sich unsere Vorlieben im Vergleich zur vergangenen Saison geändert haben. Bulgur hat die Nudeln als Favorit abgelöst, und aktuell stehen wir vor der Frage, was wir mit den vielen Packungen passierter Tomaten anfangen sollen. Dafür lieben wir Sauerteig-Pfannkuchen und Grünkohl mit Pinkel im Hochsommer. Als einzige Konstante im Speiseplan erweist sich Letscho, dessen Ende an Bord wir hiermit verkünden.

Und auch die Info wollen wir Euch nicht vorenthalten: Wir haben wieder ausreichend Trinkwasser (sonst wären die passierten Tomaten dabei vielleicht zum Einsatz gekommen). Allerdings kommt das Wasser in grünlicher oder bräunlicher Farbe aus den Pumpen und sieht alles andere als appetitlich aus. Die Farbe hängt wohl mit dem Humuseintrag der Region zusammen, ohne Auswirkung auf die Gesundheit. Naja, die Co-Skipperin ist jedenfalls fröhlich, dass sie eine schwarze, undurchsichtige Trinkflasche nutzt …

Ganz zum Schluss erfüllen wir noch den Wunsch von Olaf aus LA und zeigen Euch das Video einer Patenthalse, die unsere neue Baumbremse (Beitrag vom 7. Juli) hoffentlich verhindert: https://www.youtube.com/watch?v=nam3fH-Q7PY

21. Juli: Pite Rönnskär – Bureå (30,1 Seemeilen)
Mit Leinen und dem Wind als Unterstützer wenden wir heute Morgen die Serendi im kleinen Hafen von Pite Rönnskär – wir trauen schlicht der Wassertiefe nicht. Das Manöver gelingt problemlos im Gegensatz zum geplanten Schlag nach Bjuröklubb. Den brechen wir am Nachmittag ab, der Wind fehlt, die Wellen rollen dafür umso mehr, und die Segel schlagen. Hinzu kommt: Die vergangenen Tage haben Kraft gezogen, wir fühlen uns müde und platt.

Also steuern wir Bureå an, obwohl der Hafen im Handbuch eher wenig ansprechend aussieht. Doch wieder einmal freuen wir uns über zwei positive Überraschungen: Der Hafen liegt recht idyllisch, und mit den Rädern erreichen wir den Supermarkt des Dorfes. Endlich wieder frisches Obst und Gemüse und Brot und überhaupt. Leider begrenzen die Fahrradkörbe die Kapazität des Einkaufs, schweren Herzens lassen wir die Chips und das alkoholfreie Bier im Laden.

20. Juli: Småskär – Pite Rönnskär (39,2 Seemeilen)
Der Wind diktiert weiterhin unseren Lebensrhythmus: Um 6 Uhr klingelt der Wecker, um 8 Uhr wollen wir nach Pite Rönnskär ablegen. So der Plan nach der gestrigen Windvorhersage. Doch beim Frühstück schaut der Schipper in die aktuelle Prognose, die Flaute und Regen ab dem Vormittag verspricht. Also schnüren wir um 8 Uhr (!) die Wanderschuhe und laufen schnell in Erwartung der Schauer den Rundweg auf Smàskäret, der sich wirklich lohnt. (Fürs Tempo sorgt auch die Flucht vor den Mücken.) Außerdem buchen wir ab 15 Uhr die Sauna – vorm Mittagsschlaf. Denn ab 23 Uhr soll der Wind zurückkehren, wir rechnen also mit einer Nachtfahrt.

Gegen 9.30 Uhr kehren wir zur Serendi zurück und sehen, dass der Wind durchaus weht. Der Blick in die Apps zeigt, dass die morgendliche Prognose nicht mehr gilt. Die Flaute verlagert sich nach Süden, der Regen löst sich auf – wohin auch immer. Wir benötigen eine halbe Stunde, dann ist die Serendi startklar und der Sauna-Termin storniert. Unsere schnelle Entscheidung wird belohnt: Unter Spinnaker reißen wir fast 40 Meilen ab, bis wir Pite Rönnskär erreichen. Den kleinen Hafen hatten wir gestern bei Annette und Lars von der Fløde im Status entdeckt, wir empfehlen ihn von Herzen weiter. Hier steht die bislang schönste Sauna unseres Törns mit grandiosem Ostsee-Blick, die wir im menschenleeren Hafen genießen dürfen. Ein perfekter Abschluss eines tollen Segeltages. Morgen klingelt der Wecker übrigens wieder um 6 Uhr. Mal sehen, was der Wind so sagt …

19. Juli: Töre – Småskär (29,4 Seemeilen)
Der Tag beginnt mit einem dramatischen Himmel – daran ändert sich bis zum späten Nachmittag nichts, als wir die Serendi am Steg von Småskär anlegen. Regen, Böen und Sonne im Wechsel, das hochsommerliche Wetter der vergangenen Wochen verabschiedet sich. Kein Problem für uns, fühlten wir uns doch sehr verwöhnt vom finnischen Sommer. Jetzt genießen wir das Segeln zwischen den schwedischen Schären, die wir als überraschend grün erleben. Das gilt auch für Småskär, einem winzigen Hafen mit Bullerbü-Charme. Wie auf finnischer Seite wollen wir auch entlang der ostschwedischen Küste vor allem die Außenschären anfahren, Natur genießen und möglichst lange Wege in städtische Häfen vermeiden.

18. Juli: Haparanda – Töre (44,9 Seemeilen)
Weiter in den Norden, ein letztes Mal auf diesem Törn: Dafür entscheiden wir uns heute, weil die Wetter-Apps (wir nutzen inzwischen vier) alle passenden Wind aus Süd ansagen – im Gegensatz zu Mittwoch, dann soll es Wind aus Nord geben und das würde bedeuten, gegen den Wind kreuzen zu müssen. Ratet. Genau. Ab dem späten Nachmittag weht der Wind aus Nord und wir arbeiten uns bis Töre auf der Kreuz vor. Dort steht die nördlichste Tonne der Ostsee, die wir einmal umrunden. Am Ende des Tages gibt es doppelten Grund für eine Party im Cockpit: die entsprechende Urkunde und ein schöner Segeltag, den wir bei ziemlich gruseligem Himmel trocken überstehen.

17. Juli: Haparanda
Mehr als die Hälfte der Reise liegt hinter uns, zeitlich und entfernungsmäßig. Grund genug, eine erste Bilanz zu ziehen – jede(r) für sich.

Schipper: Nach den gut 1870sm bin ich unendlich glücklich und errleichtert darüber, dass wir unser jahrelang erträumtes Törnziel tatsächlich erreicht haben, zwar etwas erschöpft aber bei bester Stimmung.
Ein bisschen Stolz, dass wir Crew und Boot nur mit Bagatellschäden durchgebracht haben ist sicher auch dabei. Es gab schließlich diverse brenzlige Situationen und Herausforderungen, die wir mit zunehmendem Erfahrungswissen und gutem Teamspirit gemeinsam gemeistert haben. Wir haben bestimmt nicht immer alles richtig gemacht, aber die großen Fehler konnten wir vermeiden bzw. gerade noch rechtzeitig korrigieren.
Das schon fast unglaubliches Wetterglück, das uns bislang begleitet hat, trägt als wesentlicher Erfolgsfaktor zu unserem glücklichen Reiseverlauf bei und darf sicher auch so nicht für den zweiten Teil der Reise erwartet werden. Bei ständigem Seenebel oder tagelangem Starkwind gegenan wäre dieser Erfolg wohl sehr fraglich gewesen.
Zudem schwingt bei mir auch Dankbarkeit an unseren Schutzengel und große Demut mit, es gab diverse Situationen die mit etwas weniger Glück zu ernsthafte Probleme hätten führen können und zwischen gerade nochmal gut gegangen und schwerem Zwischenfall, der zum Törnabbruch führen könnte, liegen ja oft nur wenige Sekunden oder der richtige intuitive Reflex.
Im Vergleich zum Törnbegin laufen unsere Standard-Manöver inzwischen ruhig und routiniert, wir wissen beide recht genau was wann zu tun ist und aufgeregte Hektik kommt fast nur noch bei den wirklichen Überraschungen oder sehr ungünstigen Randbedingungen auf.
Etwas überrascht bin ich, wie anstrengend die bisherige Fahrt letztendlich gewesen ist. Der Lebensrhythmus wird bei dem für unsere Erfahrung ambitionierten Streckenziel doch sehr durch die Windbedingungen diktiert und mit Ü50 scheint man die ständige Herausforderung der täglich neuen Umgebung nicht mehr so leicht wegzustecken, wie es bei den Fernreisen zu Studentenzeiten der Fall ist.
Nachdem wir jetzt etwa 60% der Strecke in der Hälfte unserer Auszeit geschafft haben, ist nun der Vorsatz, an schönen Orten vermehrt Ruhetage einzulegen, um hoffentlich nicht nur bislang aufgeschobene Arbeiten wie Kuchenbude imprägnieren oder Mittelklampen montieren durchzuführen, sondern auch mal Zeit zur Erholung oder zum Angeln zu finden.
Insgesamt stellt sich bei mir gerade ein großes Zufriedenheitsgefühl ein, wir haben in den vergangenen zweieinhalb Monaten so unglaublich viele schöne Dinge erlebt und neue Eindrücke gesammelt, die vieles aus dem heimischen Alltagstrott relativieren, weshalb ich unglaublich dankbar bin, dass wir uns diese Traumreise erfüllen konnten und weiterhin können.

Co-Skipperin: Raus aus dem Alltag, rein in die Ostsee. Die erste Sehnsucht für diesen Plan weckte im Februar 2018 der Segler Max Leßner bei einem Vortrag. Damals kannte ich den Maschsee vom Segelkurs und die Fethiye-Bucht vom Törn mit Birgit und Andreas. Mehr nicht. Dass ich fünfeinhalb Jahre später tatsächlich an der nördlichen Ostsee anlegen würde, konnte ich mir damals nicht vorstellen. Meine, unsere Freude darüber ist riesig. Denn natürlich hatten wir – wie es eben unsere Art ist – viel Zeit und noch mehr Gedanken in die Vorbereitung gesteckt: Solarstrom und Kanu, Proviant und Medikamente, Versorgung zu Hause, Bücher … Nicht alles benötigen wir, zum Glück. Aber weil uns eben mehr die einsamen Schären als die Städte reizen, können wir unsere Vorräte nicht beliebig auffüllen.

Zugleich erfahren wir aber auch, dass manche Planung schlicht an den Umständen scheitern könnte. Was nützen uns Milchpulver, Teebeutel oder auch Mehl fürs Brotbacken, wenn das benötigte Trinkwasser fehlt? Wir haben, und das gehört für mich zu den wichtigsten Erfahrungen, gelernt, mit allem extrem zu haushalten – vor allem mit Wasser. Und wir stellen fest, dass uns das Reduzieren aufs Wesentliche gut tut. Das gilt übrigens auch für die Zeit an Bord und im Hafen. Eine weitere Erfahrung wollen wir zu Hause im Alltag mehr berücksichtigen: das Genießen eines Moments, wie wir es viel in den baltischen und skandinavischen Ländern beobachtet haben.

Ohne Familie und Freunde, Kolleginnen und Kollegen wäre uns dieser Törn nicht gelungen. Euch allen ein großer Dank – verbunden mit einer gewissen Demut, dass bisher alles so gut geklappt hat. Auf die nächsten 75 Tage!

16. Juli: Puotikari – Haparanda (10,1 Seemeilen)
Geschafft: Nach 1877 Seemeilen, 52 Häfen und gut 60 mehr oder weniger geglückten Anlegern ohne ernsthafte Schäden legen wir am Traumziel Haparanda an. Seit 80 Tagen leben wir in unserer eigenen WWW-Welt, die aus Wind, Wellen und Wassertiefen besteht. Viele Crews, deren Weg wir in den vergangenen Wochen gekreuzt hatten, haben uns vor der Tristesse des Hafens gewarnt – doch wir erleben Haparanda mit dem schnuckeligen gelben Klubhaus genauso, wie wir es uns vorgestellt haben.

An der Decke hängen seit Jahrzehnten die Vereinsstander von jenen, die an die nördliche Ostsee gesegelt sind. Mit dem ersten Rotwein dieser Reise feiern wir, dass wir auch unseren Stander aufhängen können. Und dann lassen wir die Atmosphäre des urigen Raumes auf uns wirken, schauen aus dem Fenster über den Hafen, blättern in den alten Gästebüchern – durchaus bewegt, dass wir uns durch die Vorbereitungen und durch die mitunter fordernden Segeltage durchgebissen haben. Da passt es uns ganz gut, dass für morgen ein Sturm angesagt ist und wir einen Hafentag einlegen. Wir werden ins Klubhaus gehen, übers Wasser schauen und Halbzeit-Bilanz ziehen.

Frage des Tages: Ist der Bart vom Schipper echt?
Antwort der Co-Skipperin: Ich fürchte: Ja. (Und damit ist auch die Frage eines weiteren Lesers beantwortet, wer denn der Knecht Ruprecht an Bord ist 🤣)

15. Juli: Marjaniemi – Puotikari/Tornio (46,7 Seemeilen)
Finnland verwöhnt uns zum Abschied noch einmal mit Sonne und Wind: Seit dem 16. Juni erkunden wir das Land und genießen einen unglaublich schönen Sommer mit warmen Temperaturen und langen Tagen. Diese Erinnerung nehmen wir mit – ebenso wie die Gastfreundschaft der Finnen, gepaart mit feiner Ironie und großer Hilfsbereitschaft. Im Moment prasseln täglich neue Eindrücke auf uns ein, die wir erst einmal nur aufsaugen und über die wir oft staunen. Denn wir lernen auch heute, dass sich Erlebnisse nicht planen lassen.

Der Schipper hat uns vor dem für morgen erwarteten Schlag nach Haparanda noch nach Poutikari geroutet, einen Vereinshafen in Sichtweite eines Gewerbegebietes. Unsere Erwartungen halten sich also in Grenzen. Doch dann tuckern wir nach einem Segeltag mit tollem Wind um die Mole, finden einen Liegeplatz und sofort helfende Hände. Mehr noch: Der Verein bietet auch eine Sauna, die mit Holz geheizt wird und deren Fenster direkt auf den idyllisch gelegenen Hafen gehen. Dort zelebrieren wir den Abschied gegen 23 Uhr, als die Sonne langsam untergeht.

Zuvor erkunden wir aber von Poutikar/Tornio aus die finnisch-schwedische Grenze und erreichen per Rad nach 15 Kilometer den Ort, den wir seit 18 Monaten als Ziel planen: Haparanda. Kurz fühlen wir uns nach Amerika versetzt, an jeder Ecke knattern Straßenkreuzer. Ein Polizist klärt uns auf: Seit Jahren treffen sich Fans der alten Autos – oft in passendem Outfit – für ein dreitägiges Event, und wir sind mitten in die Parade der mehr als 1000 Autos geraten. So kann es gehen: Fast jeder hat uns vor der Tristesse von Tornio und Haparanda gewarnt, doch uns erwartet einmal mehr skandinavische Lebensfreude auf und an den Straßen.


14. Juli: Marjaniemi
Wir benötigen einen Tag Pause – da passt es sich gut, dass der Wind fehlt, die Insel Hailuoto einen Supermarkt besitzt und wir beim Bättre-Folk-Festival mit der Serendi in der ersten Reihe liegen. Seit elf Jahren steige das zweitägige Event, sagt die Cafė-Betreiberin. 2000 Tickets gab es, alle sind verkauft. Also füllt sich die Insel, auf der normalerweise etwa 1000 Menschen leben, mit Gästen. Einige liegen mit ihren Booten bei uns im Hafen, die meisten nutzen aber die Fähre von Oulo und kommen dann mit Bus, Auto oder Rad. Im Winter besteht zwischen Hailuoto und dem Festland eine offiziell gewartete Eisstraße – kaum vorstellbar bei dem heutigen Sonnenschein.

Mit Hügö im Gepäck erkunden wir die Insel und füllen im Supermarkt unsere Bestände an Obst und Gemüse auf. Weil wir in den vergangenen Tagen auf kleinen Schären ohne jede Versorgungsmöglichkeit waren, zeigen sich größere Löcher im Proviant. Die schließen wir mit Äpfeln, Tomaten und Bananen, ehe wir vom Cockpit aus das Festival anschauen und den morgigen Tag planen. Das Ziel: Tornio, die Schwesterstadt von Haparanda. Die Spannung steigt …

13. Juli: Iso-Kraaseli – Marjaniemi (23,9 Seemeilen)
Der Wind dient heute Morgen als Wecker, leider. Er bläst reichlich, sodass wir die Serendi noch vor dem ersten Kaffee mit weiteren Leinen sichern müssen. Aber das Hantieren mit den Leinen schult, und wir können am Mittag das Boot trotz der Böen und Wellen mit Leinen in die richtige Position ziehen und an der Landzunge vorbeituckern. Dabei gehen wir fest von heftigen Regenschauern aus, weil die dunklen Wolken in unsere Richtung treiben.

Doch wir bleiben trocken – und als wir nach einer Woche abseits von Getümmel und Infrastruktur in Marjaniemi einlaufen, erwartet uns beste Partystimmung: Hier steigt gerade ein Literatur- und Musikfestival. Das feiern die Finnen mit großer Gelassenheit und Freude, zumal es wirklich nicht mehr dunkel wird. Fürs Protokoll: Wir haben den 65. Breitengrad geschafft 🥳

12. Juli: Ohtakari – Iso-Kraaseli (50,4 Seemeilen)
Unser finnischer Sommertraum geht heute weiter: Mit gutem Wind – ab dem Vormittag – segeln wir in Richtung Nordosten, zum Glück kann uns die morgendliche Flaute nicht entmutigen. Und weil es so gut läuft, verlängern wir den Schlag von Pohkasari nach Iso-Kraaseli.

Unser Glück legt allerdings kurz vor dem Anleger eine Pause ein: Im ohnehin nicht sehr tiefen Fahrwasser tummelt sich eine Sandbank, die wir mit der Serendi treffen. Die schlingert kurz, dann bewegt sie sich keinen Zentimeter vor oder zurück – mag der alte Motor noch so sehr rauchen. Also brauchen wir eine handgefertigte Lösung. Die Co-Skipperin springt deshalb ins Wasser, auch um die Nerven zu kühlen. Schon am Steg wartet ein robuster Motorbootfahrer und erklärt sich bereit, eine Schwimmleine über den Fähranleger – den man vom Wasser aus kaum erklimmen kann – zu legen. Also taucht die Co-Skipperin wieder ein ins kalte Ostseewasser, holt die Schwimmleine und kann sie auf halber Strecke einem Kanuten in die Hand drücken, der auch seine Hilfe anbietet.

Dann zieht der Schipper die Schwimmleine mit der Winsch, Zentimeter für Zentimeter strafft sie sich. Inzwischen beziehen auch Gäste der Schären-Sauna Position am Steg, um das Hafenkino nicht zu verpassen. Denn die Serendi wackelt nicht. Selbst als wir versuchen, das Boot durch Schaukeln zu lösen, passiert nichts. Der Schipper und der Kanute beschließen mit dem Motorbootfahrer, die Serendi mit dem Spinnaker-Fall von Land aus so schräg zu ziehen, dass sich der Tiefgang verringert und wir wieder Wasser unter den Kiel bekommen. Das erfordert einige Leinenarbeit – doch noch ehe irgendjemand irgendwo ziehen muss, ruft der Motorbootfahrer: „It is swimming!“ Offenbar zeigt unsere Schaukelei späten Erfolg. Fast applaudieren die Saunagäste.

Wir ziehen die Serendi mit Hilfe des Motors an den Steg, klarieren alle Leinen und atmen tief durch. Der Kanute tröstet uns: Er sei vor kurzem ebenfalls an der gleichen Stelle mit seinem Segelboot aufgelaufen. Beim Abtauchen des Bootes entdeckt der Schipper nur abgeplatztes Antifouling an Kiel und Ruder, zum Glück keine echten Beschädigungen. Danach schmeckt dann auch der Wein 🍷🍷🍷

11. Juli: Tankar – Ohtakari (20,2 Seemeilen)
So langsam gewöhnen wir uns an das Genusssegeln: Der Wind weht moderat, die Wellen kräuseln sich, und der finnische Sommer erinnert eher an Mittelmeerwetter als an kalte Breiten. Immerhin überqueren wir heute den 64. Breitengrad – und das bei sommerlichen Temperaturen von mehr als 20 Grad.

Hinzu kommt die finnische Küste, die uns ausgesprochen gut gefällt. Wir können deshalb nicht verstehen, weshalb viele Segler die Ostsee nördlich der Ålands als langweilig bezeichnen. Die kleinen Schärenhäfen, die wir ansteuern, unterscheiden sich von Größe, Anlage und Publikum. Das finden wir spannend und unterhaltsam. Vielleicht hängt unsere Begeisterung aber auch mit dem Wetter zusammen, bei Regen oder Seenebel wäre es sicherlich nur halb so schön hier.

Allerdings lässt die Co-Skipperin bei der Einfahrt nach Ohtakari einige Nerven, als die Tiefe plötzlich nur noch 1,10 Meter bei 1,50 Metern Tiefgang beträgt. Zum Glück misst das Echolot nur die Wasserpflanzen. Immerhin können wir heute unsere Kanister mit Trinkwasser auffüllen, und das Duschproblem lösen wir mit Bordmitteln: Aus den Tiefen der Serendi zaubert der Schipper eine Solardusche, die bei den aktuellen Temperaturen abends 39 Grad warmes Wasser liefert. Mehr Komfort geht heute nicht mehr,

10. Juli: Kummelskäret – Tankar (42,9 Seemeilen)
Aktuell sagen wir uns jeden Morgen, dass wir den Törn freiwillig machen. Denn der Wecker klingelt um 6 Uhr Ortszeit, gut eine Stunde später legen wir ab – um dann mindestens zwölf Stunden in Richtung Norden zu segeln. Gestern und heute schiebt der Wind den Spinnaker über lange Distanzen bei sommerlichem Wetter, absolutes Komfortsegeln, von dem wir eigentlich nicht genug bekommen. Doch so langsam spüren wir die Erschöpfung, für morgen planen wir erst einmal das Ausschlafen ein. Dann folgt der Inselrundgang über die Schäre Tankar, durchaus ein Badespot für Einheimische aus Kokkola – wie wir beim Anlegen feststellen.

Unsere Route führt uns von Schäre zu Schäre, weil die Einfahrten zu Städten oft einen Umweg bedeuten. Und den wollen wir selbstverständlich vermeiden. Das bedeutet aber eben oft auch schlichteste Ausstattung der Häfen. Seit Tagen hoffen wir auf frisches Trinkwasser und Duschen, auch heute erfüllt sich die Hoffnung nicht. Dafür nehmen wir ein Kernseifen-Schaumbad in der Ostsee mit knapp zweistelliger Wassertemperatur und schmeißen die Bordwaschmaschine an. Falls das Trinkwasser zu knapp wird, könnten wir den Kaffee mit Gin und die Nudeln mit Weißwein kochen …

09. Juli: Fäliskäret – Kummelskäret (44,4 Seemeilen)
Die Sonne scheint, der Wind bläst – wir kommen heute perfekt voran. Zwar hätten wir den Wind aus einer anderen Richtung erwartet, aber wir sind ja inzwischen flexibel. Und weil alles so schön klappt, wollen wir diesen Schlag mit Musik genießen. Die Co-Skipperin findet auf dem vom Sohn geerbten Handy auch Spotify und sucht dort Grönemeyers Album „Mensch“ heraus, Es dauert nur wenige Sekunden, dann meldet sich der Sohn aus der hannoverschen Straßenbahn. Aus seinen Kopfhörern dröhnt anstelle gewohnter Musik ganz neuer Sound, so gar nicht seine Welt. Aber er kennt ja seine Mutter und bietet sofort Nachhilfe an 😂

Ohne Musik passieren wir also die finnische Küste mit scheinbar endlosen Wäldern und genießen Grüntöne von hell bis fast schwarz. Dazu knallblauer Himmel – unsere Augen werden von dieser Kulisse verwöhnt. Bis kurz direkt in die Einfahrt des Schärenhafens, perfekter Absprung für den nächsten Schlag nach Norden, segeln wir. Nur wenige Boote liegen hier, was uns angesichts der finnischen Ferien etwas wundert. Aber wir entfernen uns eben immer mehr von der Infrastruktur. Duschen, Wasser, Strom fehlen einmal mehr. Dafür finden wir dieses Internetz auf dem Berg und liefern brav Bilder nach.

08. Juli: Bergö – Fäliskäret (19,3 Seemeilen)
Ein perfekter Segeltag: Der Wind bläst uns zu unserem nächsten Hafen, den uns der finnische Stegnachbar in Katanpää empfohlen hatte. Mit gut sechs Knoten rauschen wir zwischen den Steinen hindurch, wer hätte das zu Beginn dieser Reise vor zehn Wochen gedacht. Zwei Stunden eher als geplant liegen wir im Hafen von Fäliskäret und genießen pure Idylle – da schadet es auch nicht, dass die Pixel einzeln über die Steine getragen werden. Fotos gibt es also erst später. Und wir feiern, dass wir den 63. Breitengrad übersegelt haben. Wann kommt der 64.? Hoffentlich bald, auch wenn sich die Windprognose eher schwierig gestaltet. Der Schipper plant inzwischen täglich zwei Routen mit Zielhafen und Zwischenstopps. Somit bleibt jeder Tag spannend …

Heute treffen wir auch ein Ehepaar aus Rostock, bereits auf dem Weg zurück aus Haparanda. Die Segler hatten vor zwei Jahren den ersten Teil geschafft, das Boot in Umea liegen gelassen. Nun folgt der zweite Teil. Diese Planung kennen wir noch nicht. Wir haben Crews getroffen, die wie wir ein Sabbatical einlegen, einen Unternehmensberater mit Bootsoffice und einen Architekten, der sein Büro für sechs Monate schließt. Jeder lotet seine Möglichkeit aus, die Ostsee zu umrunden.

07. Juli: Stokorshamn – Bergö (16,2 Seemeilen)
Nun mal ein technischer Betrag vom Schipper zu unserer neuesten Errungenschaft, der nunmehr komplett funktionsfähigen Baumbremse, in hoffentlich auch für Nichtsegler verständlicher Form. Der Baum, also der waagerechte Balken unter dem Großsegel, kann – wenn der Rudergänger nicht richtig aufpasst – plötzlich von einer Seite des Bootes auf die andere umschlagen, eine der gefährlicheren Situationen, die beim Segeln so passieren können.

Deren mögliche Folgen reichen vom lauten Knall bis zum Schädelbruch eines Seglers oder auch dem kompletten Mastverlust. Eine derartige Patenthalse war uns gleich auf der ersten Etappe im Wellengeschaukel vor Fehmarn passiert und mit nur einer gebrochenen Segellatte und einem vermutlich angebrochenem Schotschäkel – der dann Wochen später in Estland versagt hat – sind wir noch sehr glimpflich davon gekommen.

Der Segler legt normalerweise zur Vorsicht bei kritischen Bedingungen einen „Bullen“, das heißt eine Leine, die seitlich vom Vorschiff zum Baumende läuft und dieses festhält. Um den Bullen auf-  und abzubauen muss man aber immer das Cockpit verlassen, was bei Welle unangenehm bis gefährlich ist und Zeit kostet, die man zum Beispiel bei der ohnehin kniffligen Schärennavigation nicht hat. Übende wie wir sind ja schon zu 100 Prozent damit ausgelastet, keinen Stein zu treffen…

Umso interessierter hat der Schipper schon in Estland die Konstruktionen unter den Bäumen einiger finnischer Segler betrachtet, die er so nicht kannte, aber vermutete, dass es Patenthalsenverhinderer sein könnten. In Tallinn ergab sich das Gespräch mit einem finnischen Stegnachbarn, der begeistert von seiner Baumbremse erzählte: „Very good product – german brand Walder – if you have tried it, you will never sail without …“ Der Internetpreis erschien für unsere Bootsgröße etwas astronomisch, aber Stöbern im Seglerforum ergab die günstige Alternative aus dem Klettershop: ein Abseilachter, wie Bergsteiger ihn schon seit Jahrzehnten nutzen.

In Helsinki wurden wir gleich fündig, die halbe Tonne Belastbarkeit, die der Schipper für erforderlich hält, sind beim Klettern überhaupt kein Problem. Erste Versuche mit vorhandenen Bordmitteln waren ermutigend, bedurften aber noch der Perfektionierung durch zwei Hebelklemmen und so fahren wir nun statt dem serienmäßigen Baumniederholer – den wir ohnehin wenig nutzen weil er das Boot zwar etwas schneller macht, aber dafür auch das Material strapaziert – die selbstgebastelte Baumbremse unter dem Großbaum. Und wir sind begeistert von der Wirkung. Einziges Manko: Wir müssen sie immer situationsgerecht bedienen, ansonsten kann man auf  Dauer auch den Baum knacken – wie man ebenfalls im Netz sehen kann. Kurze Erklärung, wie das Ganze funktioniert, gibt es nun Bild und Ton:

06. Juli: Kiili – Stokorshamn (49,9 Seemeilen)
Wir beherrschen das Bordleben inzwischen ziemlich routiniert: Meist liegen Klamotten, Lebensmittel und Werkzeug dort, wo wir alles vermuten. Und eigentlich meinen wir, dass wir alles im Griff haben. Wie man sich täuschen kann. Das jüngste Beispiel kommt aus unserem überaus überschaubaren Kühlschrank, wo offenbar Schoki-Joghurt-Erdbeer-Riegel mit dem Räucherfisch gekuschelt haben – ohne unsere Zustimmung. Den Fisch haben wir längst gegessen, doch heute schleicht er sich über die Schokolade noch einmal auf die Geschmacksknospen. Die reagieren zu Recht irritiert. Wir überlegen kurz, ob wir die neue Geschmacksrichtung patentieren lassen, entscheiden uns aber dagegen. Stattdessen warten wir auf weitere Bündnisse im Kühlschrank, da geht noch was.

Im Gegensatz zum Wind: Der schläft heute zu früh ein, statt 66 schaffen wir nur knapp 50 Seemeilen und damit nicht den 63. Breitengrad. Dass wir dennoch höher im Norden ankommen, merken wir nicht nur an der fehlenden Nacht, sondern auch an der extrem kalten Wassertemperatur. Unser abendliches Bad dauert keine zwei Minuten. Mit Abtrocknen.

05. Juli: Katanpää – Kiili (88,3 Seemeilen)
Dieser Tag zaubert uns über Stunden ein Grinsen ins Gesicht: Ein ordentlicher Westwind schiebt uns nach dem Start um 4.30 Uhr durch den Bottnischen Meerbusen in Richtung Norden – bis am frühen Abend der Wind nachlässt und wir, entgegen jeder Erwartung, den Spinnaker ziehen müssen. Nach 19 Stunden liegen wir sicher vertäut in Kiili, pünktlich zu unserem ersten Sonnenuntergang am 62. Breitengrad.

Auf eine Nachtfahrt verzichten wir, auch wenn es eigentlich nicht dunkel wird. Zum einen fehlt der Wind. Zum anderen zwingen uns auch außerhalb der Schären die Tonnen zum Slalomfahren. Dabei handelt es sich aber um schwer erkennbare Fischertonnen, zwischen denen die Oberflächennetze großflächig gespannt sind. Jetzt wissen wir auch, weshalb unser finnischer Stegnachbar so eindringlich davor gewarnt hat. Als wir die ersten entdecken, hat sich überraschender Seenebel gerade verzogen und wir atmen tief durch. Bei einer weiteren Anlage reißen wir den Spi in Rekordtempo runter, um manövrieren zu können. Irgendwas ist eben immer.

04. Juli: Katanpää
Unser Hafen liegt so geschützt, dass der Sturm uns verschont. Die Serendi schaukelt ein bisschen, aber das ist schon alles – und das ist auch gut so. Denn wir nutzen den Tag, um weitere Schläge in Richtung Norden vorzubereiten. In 30-Meilen-Abständen routen wir die Häfen und bereiten Proviant vor, der 48 Stunden reichen müsste. Rote-Linsen-Suppe, Bulgursalat, englische Weingummis, Zimtbrötchen, selbstgebackenes Brot: In unsere Spüle stapelt sich alles. Und auch die Arbeiten an der Baumbremse erledigen wir. Wie die funktioniert, erklären wir demnächst. Jetzt fehlt uns etwas die Zeit, der Wecker klingelt um um 4 Uhr Ortszeit (Deutschland 3 Uhr).

03. Juli: Katanpää
Der Sturm tobt – um uns herum. Wir schrecken zwar am Morgen durch ein Gewitter hoch, sodass der Schipper noch schnell zwei Ruckedämpfer legt, um das etwas bockige Schaukeln des Bootes zu reduzieren. Doch mit dem Gewitter verzieht sich auch der Wind, unseren Rundgang über die frühere Festungs- und Gefängnisinsel absolvieren wir bei bestem Wetter. Das dürfte sich bis morgen ändern …

Den Nachmittag nutzen wir für die Bootspflege und überfällige Reparaturen. So ersetzt der Schipper die bisherige, defekte Glühlampe am Kompass durch ein LED (und kann das Ergebnis nur testen, indem er unter seine Jacke kraucht). Außerdem bekommt die Serendi auch an Steuerbord neue Löcher, wo morgen hoffentlich die Klemme für die Baumbremse eingeklebt wird. Das Beste aber: Unser finnischer Nachbar gibt uns Tipps für die Weiterfahrt in Richtung Lappland. Das klingt gleich nach so viel Kälte, dass wir spontan Grünkohl mit Pinkel kochen 🤷‍♀️

02. Juli: Sottunga – Katanpää (40,2 Seemeilen)
Warten auf Sturm – so lässt sich unsere Stimmung zusammenfassen, wobei wir bislang allen Ausläufern ausweichen konnten. Jetzt liegen wir sicher im Hafen von Katanpää, ohne Wind und angekündigtem Regen. Nach jetzigem Stand legen wir morgen dennoch einen Hafentag ein – das Boot muss mal wieder geputzt, die zweite Klemme für die Baumbremse montiert werden. Das führt uns zur Frage des Tages: Habt Ihr Fernsehen an Bord?

Antwort: Nein, hat der Schipper nicht mal zu Hause. Hier fehlen uns Zeit, Platz und Empfang. Die Co-Skipperin nutzt für neue Bücher am Abend die Onleihe-App der Bücherei Langenhagen, der Schipper plant den nächsten Schlag oder schaut sich im Hafen um. Interessiert und ohne jede Häme für Missgeschicke verfolgen wir außerdem das Hafenkino und helfen, wenn es nötig ist. Das führt oft zu einem Plausch am Steg – und schon ist so ein Segeltag zu Ende.

01. Juli: Kökar – Sottunga (23,6 Seemeilen)
Heute steht vor allem eine Aufgabe auf der To-Do-Liste: Zum ersten Mal in unserem Serendi-Leben verschicken wir eine Flaschenpost. Sie erreicht hoffentlich Stefan und Merle, die heute heiraten und denen wir nur das Beste für das gemeinsame Leben wünschen. An Position 60°03’820 North 20°39’013 East geht die Ginflasche mit neuem Inhalt über Bord (den Alkohol trinken wir seit Törnbeginn nur für diesen Moment), mal sehen, ob und wo sie gefunden wird.

Den heutigen Schlag nutzen wir zudem für zwei Vorhaben: Wir arbeiten uns jetzt in Richtung Norden, um bei gutem Wind nach Haparanda/Tornio starten zu können. Und wir verkrümeln uns in sichere Häfen, wo wir den für Wochenbeginn angesagten Sturm abwarten können. Heute schon rauschen wir nur mit gereffteru Genua mit gut fünf Knoten durch die Schären – und liegen pünktlich vorm abendlichen Regen am Steg.

30. Juni: Kökar
Das große Ziel steht nach wie vor: Wir würden gern Haparanda/Tornio als nördlichsten Punkt der Ostsee erreichen. Für die nächste Woche sagen alle Wetter-Apps starken, zum Teil stürmischen Wind aus Süd voraus. Das würde gut passen für die Strecke von mehr als 400 Seemeilen ab Kökar (rund 800 Kilometer), doch zugleich liegt die Wellenprognose bei zwei Metern. Deshalb entscheiden wir uns – durchaus mit gemischten Gefühlen – gegen den Start. Zu sehr hallt die Überfahrt nach Klaipeda nach. Stattdessen werden wir uns eine kleine Schäre oder einen Hafen zum Abwettern suchen.

Bis dahin absolvieren wir auf Kökar den Hafentag-Triathlon: schwimmen, Rad fahren, wandern. Dabei fordert uns vor allem der Sieben-Kilometer-Wanderweg über Steine und Geröll und nur wenigen ebenen Flächen. Wunderschöne Ausblicke entschädigen für die Kraxelei – allerdings nutzen wir beim Rückweg dann die Straße, um wenigstens etwas voranzukommen. Das Schärenleben will geübt sein, auf Wasser und an Land 😅

29. Juni: Jurmo – Kökar (24,8 Seemeilen)
Sollte die Co-Skipperin jemals ein Buch übers Segeln schreiben, weiß sie schon den Titel: „Frauen, die auf Tonnen starren“. Während der Schipper die Serendi um die Steine navigiert, steuert sie die angegebene Route und muss rote, grüne, Ost-, West,- Nord- und Südtonnen im Blick behalten – allerdings darf sie dabei nicht die Gegend bewundern, weil sie sonst prompt wieder anfangen muss, die Tonnen auf dem Wasser zu suchen . Heute klappt das alles wieder, kein Stein schrammt unterm Kiel, als wir mit Kökar das nächste Etappenziel erreichen. Wir legen an der ersten von hoffentlich noch vielen Åland-Inseln an.

Das bedeutet: Der Schipper hisst die inzwischen siebte Gastlandflagge in neun Wochen, wobei ihn heute Hügö unterstützt. In unserem kleinen Hafen endet zudem unsere wortwörtliche Durststrecke, am Steg gibt es Trinkwasser für den Wassertank. Und endlich können wir auch duschen, nach tagelangen Tauchgängen von der Badeleiter aus freuen sich sogar die Haare über eine richtige Wäsche.

28. Juni: Björkö – Jurmo (9,8 Seemeilen)
Eigentlich wollen wir diesen Sommerabend auf der ersten Åland-Insel Körka verbringen, 26 Seemeilen beträgt die Distanz. Doch der angesagte Wind wächst sich schon am Vormittag zu einer Flaute aus, deshalb entscheiden wir uns kurzfristig, nach Jurmo zu fahren – schließlich wollen wir uns nicht selbst unter Druck setzen.

Die südfinnische Schäre verwöhnt uns ab dem Mittag mit Sonne und einer Heißen-Stein-Fußmassage auf dem Weg zum Baden. Im Gegensatz zu anderen Inseln gibt es nur wenige Bäume, angeblich hat König Gustav I. im 16. Jahrhundert die Bäume niederbrennen lassen: Er vermutete, dass Piraten von Jurmo aus die Handelsschiffe auf dem Weg von Russland nach Schweden überfallen hatten. Mit dem Brand wollte er verhindern, dass die Piraten sich weitere Schiffe für ihre Beutezüge bauen konnten. Ob das stimmt, können wir nicht nachprüfen. Aber die Kargheit der Schäre fällt auf – und schon jetzt können wir sagen, dass keine Schäre der anderen gleicht.

Nach mehreren Tagen ohne echten Hafen stellen wir fest, dass wir auf der Serendi weitgehend autark leben können. Der größte Engpass könnte sich beim Wasser ergeben, das wir nach wie vor am Brunnen in Fünf-Liter-Kanister pumpen. Strom liefert die Solaranlage bei Sonnenschein und weißen Nächten ausreichend, obwohl wir nur ein Panel nutzen.

Finnische Winenergie.

27. Juni: Kråkskär – Björkö (13,9 Seemeilen)
Wenn wir mit Finnen über besondere Häfen sprechen, fällt ein Name immer wieder: Björkö. Auch ein Autor der Segler-Zeitschrift „Yacht“ schwärmt von der Schäre, die Fotos im Hafenführer sehen zudem verlockend aus. Also steuern wir die bei Einheimischen und Gästen beliebte Insel gleich vormittags an und finden einen geschützten Liegeplatz am Stein. Von dort aus verfolgen wir das Getümmel auf der anderen Buchtseite. Kurz schwimmen, dann erobern wir die Insel. Und das im wahren Wortsinn. Denn zwischen den Steinen wuchern Farne, Birken, Wacholderbüsche und Moos. Das ist wohl der Preis für die idyllische Randlage.

Aber wir schlagen uns durch das Gestrüpp bis hin zum einzigen Süßwassersee des Archipels (Ihr seht ihn auf dem Video zu Beginn, am Ende findet Ihr die Serendi). Und wir entdecken erst Schilder, dann Steine, die uns den Weg zum Insel-Café weisen. Koffein für die von Zeckenphobie geplagte Co-Skipperin, das verspricht gleich bessere Laune. Doch auf einem Quad kommt uns ein Pärchen entgegen – Tiia und Santeri, die vor vier Jahren große Teile der Schäre samt See gekauft haben und die im Sommer das Café betreiben.

Außer in dieser Woche: Beide bereiten ihre Hochzeitsfeier am Samstag vor und stecken im Stress. Die langen, gerade von der Fähre geholten Holzbohlen müssen sie beispielsweise noch zu Tischen bauen – im Anschluss dient das Holz als Terrassenboden fürs Café. Etwa 70 Jahre war die Farm ohne Nutzung, sie hauchen den alten Gebäuden jetzt neues Leben und Charme ein. Den Ausfall an Koffein kompensiert kaltes, frisches Brunnenwasser, das wir auf der Farm selber pumpen können – per Hand, denn bis auf eine kleine Solaranlage gibt es auf der wunderschönen Insel keine Stromversorgung.

26. Juni: Pensar – Kràgskär (15,5 Seemeilen)
Finnland ist steinreich. Laut Turku-Universität gibt es allein im Turku-Archipel insgesamt 44.225 große, kleine und winzige Inseln. Nicht mit gerechnet all die Steine, die knapp unter der Wasseroberfläche auf einen Bootskiel lauern. Wir hängen die Serendi heute an eine der Schären, die Krågskär. Mit uns genießen fünf weitere Crews den wunderschönen Spot, die sich beim Anlegen fröhlich helfen. Wir setzen erstmals zwei Schären-Haken.

Bis in die 1930-er Jahre lebte eine Familie auf der Schäre. Ein Haus und Hinweistafeln, die uns ein Finne übersetzt, erzählen davon. Ein hartes Leben, vor allem im Winter ohne Strom und ohne Kontakt zur Außenwelt. Um die eine Kuh, die die Familie besaß, durch den Winter zu bringen, sammelten die Bewohner im Herbst jedes Blatt als Futter. Dass ihnen dabei die Muße für den Sonnenuntergang fehlte, glauben wir sofort. Wir aber schauen fasziniert übers Wasser.

25. Juni: Paraisten – Pensar (8,9 Seemeilen)
Schärensegeln verbinden wir seit dem Oslo-Törn immer mit einem Liegeplatz direkt am Stein. Also navigiert uns der Schipper heute in Richtung Westen zur Långskäret – nach den gestrigen Wind-Erfahrungen plant er eine nördliche und südliche Route. Der Südkurs gewinnt, und schon von weitem sehen wir, dass die beiden möglichen Anlegestellen unbesetzt sind. Ein erstes Abtasten mit weniger als einem Knoten Fahrt zeigt, dass die Tiefe passt. Bei der zweiten Anfahrt fällt der Heckanker, dann springt der Schipper mit den Vorleinen über: Die Serendi hängt am Stein.

Doch ein Gewitter braut sich zusammen, der Wind aus Nordwest frischt auf. Also greift Plan B: Wir tuckern unter Motor um die Schäre und auf einen freien Liegeplatz in Pensar. Kaum passen die Leinen, dröhnt der erste Donner. Ihm folgt ordentlicher Platzregen, den wir von der Kuchenbude aus entspannt verfolgen.

Frage des Tages: Habt Ihr heute dunkle Buntwäsche gewaschen?
Antwort: Wir haben nur eine Wäsche … (und die haben wir in Paraisten erledigt, während wir gefrühstückt haben).

24. Juni: Örö – Paraisten (31,1 Seemeilen)
Im Hafen herrscht am Morgen noch Feiertagsstimmung, viele bleiben länger auf Örö. Wir entscheiden uns aber angesichts des viel versprechenden Winds fürs Auslaufen und einen längeren Schlag. Doch einmal mehr passt die Vorhersage nicht: Der Wind bläst stärker, durchaus ruppig, und aus der falschen Richtung. Deshalb plant der Schipper ambulant eine neue Route, während die Serendi mit über sechs Knoten durch die Schären rauscht. Zwei Alternativhäfen, die wir am Morgen als Plan B und C rausgesucht hatten, können wir wegen des Windes nicht anlaufen.

Winddreher, Winddüsen, Windschatten: Die Schären sind immer für eine Überraschung gut, und wir lernen jeden Tag dazu. Unter anderem, dass nichts so beständig wie die Veränderung ist. In Paraisten peilen wir einen Steg weitab vom viel gepriesenen Restaurant an, wir sind nach dem Segeltag platt und schaffen mit letzter Kraft den Aufstieg auf die Hausschäre mit guter Aussicht. Anschließend schlemmen wir im Cockpit kalt geräucherten Lachs und frische Kartoffeln, während gleichzeitig das Brot im Ofen backt. Denn an Tagen wie diesen passt unser Verbrauch nicht zu den gebunkerten Lebensmitteln 🍌🍎🥕🥬🥔🍞🍝🍰🍪🍫🥫

23. Juni: Hanko – Örö (29,9 Seemeilen)
Mittsommer in Finnland – und wir feiern ganz überraschend auf Örö mit. Hierher bläst uns heute der Wind, quer durch Schären ohne Seezeichen und Tonnen. Wir möchten nach der gestrigen Windvorhersage mit Starkwind aus Nordwest die engen Fahrwasser verlassen, um im freien Gewässer besser navigieren zu können. Doch leider hält sich der Wind nicht an die Vorhersage, sodass der Schipper neu routen muss – entlang einer Schärenkette, Entsprechend angespannt absolvieren wir den Schlag, immer den Blick aufs Wasser gerichtet: Bilden sich möglicherweise Schaumkronen an unterirdischen Steinen? Ohne Grundberührung erreichen wir Örö, und sofort stellt sich gute Laune ein.

Denn am Steg steht Oskari: „I‘m your personal guide“, sagt er fröhlich und versorgt uns mit allen Infos rund um Mittsommer, die wir vorab bei keinem einzigen Hafen im Netz gefunden hatten. Einen solch warmherzigen Empfang erleben wir zum ersten Mal 😍 Livemusik, Sauna, Tanz, Strand: Wir freuen uns auf den unerwarteten Abend, auch wenn der Co-Skipperin das bei den Finninnen so beliebte weiße Kleid fehlt. Aber das wäre nach dem achtwöchigen Törn wahrscheinlich auch nicht mehr weiß … Party geht auch im Seglerdress.

„Hauska Juhannusta!“, heißt es auf Finnisch überall an diesem Wochenende. Wir absolvieren vor der Party noch den südlichen Insel-Rundweg, ehe wir der Sängerin in Badeschlappen samt Band zuhören. Manche Gäste erscheinen im edlen Outfit, andere eher leger. Manche tanzen auf dem trockenen Rasen, andere spielen mit ihren Kindern. Manche gönnen sich ein opulentes Abendessen im Restaurant, andere picknicken auf der Schäre. Darin liegt für uns eine Facette des finnischen Lebensstils: den Moment genießen.

22. Juni: Modermagan – Hanko (16,1 Seemeilen)
Wir können es kaum glauben: Die beiden Hebelklemmen für die Baumbremse liegen wie bestellt im Hafenmeister-Büro. Fast wären wir verzweifelt: Die Homepage des Anbieters funktionierte nur mit Finnisch und unsere Sprachkenntnisse reichen bisher nur für Moi und Sauna. Ein Stegnachbar in Jussarö half beim Übersetzen, fast wollte der Schipper schon von Hanko nach Helsinki zum Kauf fahren. So montiert er die Backbord-Klemme gleich heute. Wieder Löcher in der Serendi 🙈

Die Co Skipperin freundet sich unterdessen mehr und mehr mit der finnischen Saunakultur in Häfen an: Dort ist es schön warm, und sie kann Boote (und Menschen) beobachten. Heute gibt es zudem Livemusik. Mehr Luxus geht kaum. Die Finninnen gehen oft mit einem Einkaufskorb in die Sauna, in dem sie Handtücher und Kosmetika transportieren. Oft dauert der Saunabesuch nur eine halbe Stunde, aber die sei gesetzt, hat heute eine Finnin erzählt. Sauna ist übrigens das einzige finnische Wort, das im Deutschen übernommen wurde.

21. Juni: Modermagan
Der längste Tag, die kürzeste Nacht – und wir erleben den für Skandinavien so wichtigen Tag in der wunderschönen Ankerbucht, nachdem wir uns am Morgen spontan zum Bleiben entschieden haben. Schwimmen vor dem ersten Kaffee weckt Erinnerungen an Tage auf der 2BiSi und erste Segelerfahrungen der Co-Skipperin, als Schipper Andreas uns Mädels mit Kaffeeduft wieder an Bord lockte. Wir grübeln auch mal wieder über das Prinzip der Serendipität. Denn eigentlich wollten wir längst in Hankö sein, doch weil ein Lieferant in Helsinki ein Bauteil für die Baumbremse zu spät losgeschickt hatte, mussten wir einen Zwischenstopp finden. Wir hadern nicht mit der Verzögerung, sondern freuen uns schlicht über die Entdeckung der Bucht.

Am Nachmittag tuckert dann ein Boot in die Bucht, das wir zuletzt im estnischen Möntu getroffen hatten: Die Sirius ankert neben uns, und mit der Elfi paddeln wir abends vorbei. Es ist faszinierend, dass wir unverhofft immer wieder Segler treffen, ohne dass wir uns verabredet hätten – vor allem im Schärengarten mit diesen vielen Möglichkeiten. Wenn alles klappt, dann kreuzen sich unsere Wege morgen noch einmal in Hanko.

20. Juni: Jussarö – Modermagan (6,9 Seemeilen)
Unser Equipment an Bord scheint schier grenzenlos, mit uns fahren nicht nur Yoga-Matte, zwei Fahrräder, Kanu Elfi, eine Angel und Lebensmittel für mehrere Wochen durch die Schären, sondern auch der hafen- und ankertaugliche Toaster. Der kommt am Morgen zum Einsatz, zum Glück stärken wir uns für den kurzen, aber intensiven Schlag. Denn erst landen wir auf einer weder digital noch analog erfassten Untiefe, die die Serendi aber auch bei 1,50 Meter auf dem Echolot glücklicherweise nicht berührt.

Bei der Einfahrt in einen kleinen Naturhafen, empfohlen vom finnischen Stegnachbarn, erwischt es uns aber: Mit weniger als einem Knoten Fahrt tuckern wir durch die Durchfahrt, als der Skipper am Bug die Steine im Wasser sieht. Ein Schrei, ein Rückwärtsschub, ein winziger Schlag gegen den Kiel – nix passiert. Wir atmen durch und steuern problemlos einen wunderschönen Ankerplatz in Modermagan an. Der Wasser-Triathlon kann damit heute erstmals starten: segeln, schwimmen, paddeln. Kurz vor 22 Uhr holt der Schipper die Elfi raus, dann geht es durch die weiße Nacht. Wahnsinn.

19. Juni: Bärosund – Jussarö (13,9 Seemeilen)
Gemütlich fahren wir unter Genua den Bärosund bis zur Mündung, dort wollen wir in Jussarö anlegen. Der Schipper kennt den Spot, er war dort schon einmal vor zehn Jahren mit der Jonas – verfallene Gebäude, das hat er sich gemerkt. Im Internet finden wir noch die Information, dass sich auf Jussarö die einzige Geisterstadt Finnlands befindet. Nun ja, idyllisch klingt anders.

Wie man sich täuschen kann: Schon der Hafen zeigt, dass seit dem letzten Schipper-Besuch viel passiert ist. Es gibt einen Gästehafen mit Fingerstegen, Strom, Sauna und Kompostklos. Und es gibt jede Menge Historie auf der grünen Insel, die Besucher auf einem 4,7 Kilometer langen Rundweg erfahren. Zum Beispiel über die Lotsen-Station, die hier im 19. Jahrhundert stand. Oder über den Militärstützpunkt der Russen, den sie selbst zerstört haben. Oder über die einzige Unterwasser-Erz-Mine Finnlands, die von 1961 bis 1967 in einer Tiefe von 246 Metern arbeitete. Von vielen Begebenheiten erzählen Info-Tafeln und Gebäude, die sich die Natur seit Jahrzehnten erobert. Denn dichter Mischwald, wahre Heidelbeer-Felder und Moos bedecken die Schäre. Eine Insel – so viele Facetten, das gefällt uns.

18. Juni: Barösund
Der Wind aus Ost frischt in der Nacht ordentlich auf und legt im Laufe des Tages zu – wir entscheiden uns deshalb für einen Hafentag, nachdem wir gestern die Winddüsen zwischen den engen Durchfahrten der Schären kennen gelernt haben. Dafür kommen wir in den Genuss eines ausgiebigen Hafenkinos, als dicke Motorboote gegen den Wind ablegen. Am Abend erwischt eine Böe ein Boot beim Anlegen, die Springmaus am Bug fällt ins Wasser – samt Rettungsweste. Das bringt ihr helfende Hände und Mitgefühl der Co-Skipperin ein, die die missliche Situation gut kennt.

Und es ist Zeit für das erste Wort auf Finnisch: Schon in Helsinki wunderten wir uns über das „Moin“ am Steg – obwohl keine weiteren Boote aus Deutschland zu sehen waren. Unser Barösund-Hafenmeister klärt uns auf, dass sich die Menschen in Südfinnland mit „Moi“ grüßen. Ach so, das klappt auch bei uns auf Anhieb und ohne Vokabeltraining.

17. Juni: Stora Herrö – Barösund (29,6 Seemeilen)
Schären mit Nadelwald, Schären mit kleinen und großen Häusern, Schären ganz blank geputzt und immer wieder Durchfahrten, die sich erst auf den zweiten oder dritten Blick erschließen: Der Schärengarten beeindruckt uns, wobei wir nicht viel Zeit zum Schauen und Staunen haben – die Navigation fordert uns. Immerhin umrunden wir jeden der ungezählten Steine und erreichen Barösunds Hafen, um uns dort vor dem Starkwind am Sonntag verstecken zu können.

16. Juni: Helsinki – Stora Herrö (14,9 Seemeilen)
Schluss mit Sightseeing, jetzt beginnt das Schärenhopping: Wir peilen seit heute das Turku-Archipel an und navigieren die Serendi bei bestem Wetter um die Schären vor Helsinki. Das funktioniert gut mit GPS und Papierkarten, sich nur auf eines zu verlassen, erscheint uns riskant. Nachdem der Schipper ohne Lesebrille zwei Markierungen für Steine übersehen hat, setzen wir ab sofort außerdem auf eine Lupe im Cockpit. Klar ist auch: Bei schlechtem Wetter oder Dunkelheit würden wir nicht durch die Schären fahren.

Zum Auftakt wählen wir einen kurzen Schlag nach Stora Herrö und kommen so zu einem Bad in der Ostsee, das auch in der knalligen Sonne nur mit Neo richtig Spaß macht. Sonst ist es schlicht zu kalt. Immerhin ankern wir das erste Mal in dieser Saison – und das in einer idyllischen Bucht. Wie immer planen wir dafür ein schnelles Essen und haben nach 30-minütiger Suche in der Bilge (in menschenunwürdigen Positionen) sogar die Dose mit dem Brathering gefunden. Müssen wir noch erwähnen, dass beim Öffnen der Dose die Lasche abgerissen ist? In dieser Zeit hätte ein talentierter Koch ein Drei-Gänge-Menü gezaubert …

15. Juni: Helsinki
Helsinki verbinden wir mit Sommer – und mit durchaus steilen Anstiegen, die wir mit dem Rad bewältigen müssen. Denn unser Weg zur Felsenkirche (Temppeliaukion kirkko) führt uns erst entlang des Uferwegs, dann über mehrere Schären auf den Tempelberg. Inmitten von Wohnhäusern befindet sich die ungewöhnliche Kirche, die zwei Architekten-Brüder in den 1960-er Jahren in einen Granitfels hineingebaut haben. Ein Kupferdach mit 180 Fenstern überspannt den Raum und lässt Tageslicht herein. Die fünf bis acht Meter hohen Kirchenwände bestehen aus schlichtem, mehrfarbigem Fels – ohne Prunk und Protz, was uns ausgesprochen gut gefällt.

Morgen nehmen wir Abschied von Städten, es zieht uns ins Turku-Archipel. Für einen Besuch in Helsinki empfehlen wir das Rad, Leihfahrräder gibt es in der ganzen Stadt.

14. Juni: Helsinki
Endlich Sommer: Helsinki verwöhnt uns mit so viel Sonne und Temperaturen kurz vor der 30-Grad-Marke, dass wir nun endlich mal das Sonnensegel übers Cockpit ziehen können. Schon zum ersten Kaffee des Tages, wohlgemerkt. Anschließend steht ein Einkaufsbummel an, erst suchen wir einen Kletterladen auf – der Schipper benötigt Zutaten für eine Baumbremse in den Schären-, dann ein Segelgeschäft.

Die Co-Skipperin muss die beim unfreiwilligen Bad in Kihnu ausgelöste und dann ersetzte Patrone für die Schwimmweste nachkaufen. Wir finden auch noch Schäkel, einen Stromstecker und gute Bücher über Ankerplätze und Naturhäfen im Turku-Archipel und für die Ålands. Bei unserem Törn durch die südschwedischen Schären in 2022 hatten uns ein Revierführer dieser Reihe, von Thorsten und Heike dankenswerterweise ausgeliehen, gute Dienste erwiesen.

Fröhlich radeln wir mit unserer Beute zurück, nutzen dabei quasi eine U-Bahn für Radfahrer, die sich durch die Stadt zieht. Uns überrascht der hohe Stellenwert der Radwege, wir genießen das Radeln und den Sommer wie die Einheimischen – nicht zuletzt im Bistro Telakka am Sindbad-Hafen, das wir zufällig entdecken und wo wir erstmals gegrilltes Rentierfleisch kosten. Lecker.

13. Juni: Tallinn – Helsinki (45,6 Seemeilen)
Schweren Herzens werfen wir kurz nach 4 Uhr Ortszeit (zu Hause ist es 3 Uhr) die Leinen in Tallinn los – die Wettervorhersage verspricht guten Wind für den Schlag nach Helsinki, also von der südlichen zur nördlichen Ostseeküste. Doch der anfängliche Leichtwind entwickelt sich zu einer fulminanten Flaute, sodass wir letztlich den Motor anschmeißen. Fossile Energie schlägt erneuerbare.

Zwar kann der Schipper bis 14 Uhr immer mal unter Spinnaker segeln, aber eben nicht auf Dauer. Gegen 14 Uhr kommt endlich Wind auf, sodass wir unter Spi die finnische Hauptstadt erreichen. Zwischen Tonnen und Schären schiebt uns der Wind bis vor die Hafeneinfahrt. Wir erreichen gesund und mit heilem Boot dankbar unser nächstes Etappenziel.

Jetzt beginnt die Zeit des Törns, bei dem Navigieren funktionieren muss – Steine statt Sand schaden dem Kiel mehr. Die Co-Skipperin verlässt sich beim Steuern mehr auf den Kompass als auf Landmarken, und das aus gutem Grund. Beim legendären Oslo-Törn vor fünf Jahren hatte Holger mit ihr das Fahren nach Landmarken geübt. Zwischen zwei Schären sollte sie einen markanten Punkt suchen und ansteuern. Ihr erschien ein weißes, langgestrecktes Gebäude sinnvoll. Konsequent behielt sie es im Blick, was allerdings nicht zum gewünschten Kurs führte: Das Gebäude war eine fahrende Fähre 🙈 Da ist ein Kompass doch viel besser.

12. Juni: Tallinn
Es gibt immer wieder die Frage, ob wir uns im Dauer-Urlaub fühlen. Darauf können wir ganz klar mit Ja antworten. Und doch unterscheidet sich die jetzige Situation von einem reinen Urlaub, weil wir regelmäßig einen Hauswirtschaftstag einlegen (müssen). Heute ist es wieder soweit: Wir füllen nach zwei Besuchen im Supermarkt die Vorräte mit Nudeln und Konserven, H-Milch und Joghurt, Wein und alkoholfreiem Bier auf. Wir putzen das Boot, waschen die Wäsche und beseitigen Spuren der Reise im Gelcoat. Außerdem erbeutet der Schipper eine neue Segellatte.

Aber natürlich schauen wir uns dabei auch Tallinn an, zum vorerst letzten Mal. Morgen wollen wir in Helsinki ankommen.

11. Juni: Tallinn
Alte Mauern bekommen moderne Aufbauten, Ruinen eine umfassende Sanierung – manche Quartiere erfinden sich seit der singenden Revolution vor gut drei Jahrzehnten architektonisch, aber auch mit Kunst und Kultur neu. Unser Spaziergang führt uns heute vorbei an der Betonwüste der Stadthalle – entstanden zu Olympia 1980 – zum Kreuzfahrtterminal – erst vor kurzem neu gebaut – und durch das Rotermann-Viertel. Eigentlich ließe sich jedes Gebäude in Szene setzen, doch wir wollen ja noch mehr sehen 😅

Wie schon gestern endet unser Weg in der Markthalle, unsere Erdbeeren haben sich auf wundersame Weise aufgelöst und wir benötigen dringend Nachschub. Wären sie nicht so gesund, könnten sie glatt als Chips durchgehen. Denn auf die verzichten wir seit Törnbeginn. Auch Hügö bekommt Ausgang, er genießt den Blick aus der Sauna über die Bucht von Tallinn. Wir checken unterdessen das Wetter: Der Wind nach Helsinki lässt weiter auf sich warten. Das stört uns aber (noch) nicht, wir holen den Schlafrückstand nach.

10. Juni: Tallinn
Wo beginnt unsere Schwärmerei für diese wunderbare Stadt? Bei den liebevoll gestalteten Gebäuden? Der gut erhaltenen Stadtmauer? Den Cafės und Shops? Der Markthalle? Wir wissen es nicht. Stunde um Stunde genießen wir Tallinns Zentrum, zum Glück haben wir uns morgens für Wanderschuhe entschieden – und fallen nach sieben Stunden Staunen so erschöpft ins Cockpit, dass uns die Kraft für ein auswärtiges Abendessen fehlt. Wie gut, dass wir aber in der Markthalle eingekauft haben, darunter leckeres Roggenbrot, Wurst und Käse. Also geht es nach dem Imbiss nur noch in die Sauna mit Ostsee-Blick.

Morgen steht noch ein Tallinn-Tag an, was für ein Glück, denn wir haben längst nicht alles erkundet. Aber es zeigt sich auch: Szene-Viertel, die vor wenigen Jahren noch für Kontraste sorgten, sind inzwischen neuen Gebäuden gewichen.

09. Juni: Lohusalu – Tallinn (24,6 Seemeilen)
Starkwind und Flaute – beides bietet das Wetter für den Schlag zu unserem nächsten Etappenziel Tallinn. Unter Spinnaker erreichen wir die estnische Hauptstadt und schaffen wegen der späten Ankunft nur einen kurzen Rundgang durch die Innenstadt. Doch schon dabei fällt uns das Zusammenspiel zwischen Alt und Neu auf: So grenzt eine Stadtmauer aus dem Mittelalter an einen Neubau, öffnet eine Beachbar am früheren Gefängnis. Wir freuen uns also auf einige Tage in der Großstadt – und weitere Saunagespräche. Denn im Hafen gibt es jeden Abend heiße Luft, erste Stegnachbarn haben wir dabei schon getroffen.

08. Juni: Haapsalu – Lohusalu (47,8 Seemeilen)
Wir starten bei Flaute, deshalb planen wir erst einmal den kurzen Schlag bis Dirhami – in jedem Fall wollen wir am Freitag in Tallinn ankommen. Das würde am Freitag einen längeren Schlag bedeuten, dann gäbe es zudem Wind gegenan. Unser Schutzengel Maike in Celle erbarmt sich und pustet ordentlich aus der Ferne, und das mit großem Erfolg. Wir sausen an Dirhami vorbei und durch bis Lohusalu, einem Hafen kurz vor Tallinn. Den hatten uns gestern Abend zwei Rostocker Stegnachbarn empfohlen – mit Recht.

Es gibt einen netten Hafenmeister, schön-heiße Duschen und einen Badestrand. Weil die Co-Skipperin seit 20 Jahren immer donnerstags das weltbeste Aquatraining bei Kristina absolviert, fällt der Entschluss: Heute ist Anbaden. Das geplante Aquatraining gestaltet sich beim flachen Wasser aber eher zum Aquakrauchen. Der Schipper badet auch an. Aber nur bis zu den Knöcheln.

Frage des Tages: Wann lassen die die Hüllen fallen?
Antwort: Nach 45 Minuten. Solange beobachtet der Schipper die Nachwuchscrew auf einem 409-er, weil er wissen will, wie die Jungs das Groß der Rennziege bergen.

07. Juni: Haapsalu
Tschaikowski war hier, der Zar, Astrid Lindgren – und nun auch wir. Haapsalu gönnen wir einen ganzen Tag. Die Stadt mit bunten Holzhäusern, einer alten und zum Teil verfallenen Burg, einem Bahnhof mit 216 Meter langem Bahnsteig für den Zarenzug und Ilons Wunderland bietet ganz unterschiedliche Eindrücke, allesamt positiv.

Doch vor der Stadttour treffen wir uns mit Mario und Olev von Uuniq Boats, einem Startup. Beide hatte Roland auf der Düsselboot getroffen, als sie ihre wunderschönen Kanus aus Holz und Flachs vorgestellt hatten. Wir besuchen beide in der Werkstatt, wo sie neben Kanus aktuell auch Teile für E-Autos fertigen.

Wie viel Haapsalu in vielen Büchern von Astrid Lindgren steckt, erfahren wir bei Ilon Wikland: Die gebürtige Estin wuchs bis zu ihrem 14. Lebensjahr bei den Großeltern in der Kleinstadt auf, ehe sie vor den Sowjets allein nach Schweden floh. Bei einer Tante kam sie unter, intensivierte das Zeichnen und illustrierte viele Lindgren-Geschichten, darunter „Karlsson vom Dach“. Uns bewegt die Lebensgeschichte sehr, die Interessierte in einem sehr kindgerechten Museum erkunden können – Spielen, Zeichnen, Verkleiden und Toben sind ausdrücklich erlaubt.

06. Juni: Kuivastu – Haapsalu (31,0 Seemeilen )
Einigen Seglern begegnen wir immer wieder: Alex in Leba, Danzig und Klaipeda, Anette und Lars in Danzig, Klaipeda und Ventspils, Gustav in Danzig, Ventspils und Möntu – und seit gestern treffen wir ein britisches Paar, das drei Monate die Ostsee erkundet. Unsere erste Begegnung hinterlässt dabei Eindruck, als die Frau des Bootes durchaus interessiert unseren Anleger und die folgenden Minuten verfolgt.

In denen zieht die Co-Skipperin erst die Öljacke, dann die Ölhose, die Segelhose, die wollenen Beinstulpen, die dicke Skiunterhose, die dünne Skiunterhose, die Softshell – und dann die Fleecejacke aus. Immer noch komplett angezogen mit Merino-Langarmshirt und Skiunterhose widmet sie sich dann dem Aufräumen. Auch der Schipper schmeißt drei Jacken von sich, im Hafen ist es schließlich warm. Für uns gehört all das zum Alltag – nicht aber für unsere Nachbarin.

Die ganze Tragweite des Erstaunens erschließt sich uns aber erst heute Morgen, als das Paar in kurzen (!) Hosen ablegt.

05. Juni: Kihnu – Kuivastu (42,2 Seemeilen)
In diesem Punkt ist die Co-Skipperin ganz schlicht gestrickt: Steht jemand am Steg und winkt fröhlich, dann fühlt sie sich sofort wohl – erst recht, wenn dieser jemand die Leinen annimmt und eine heiße Dusche bietet. In Kuivastu kommen wir dank eines sehr hilfsbereiten und emsigen Hafenmeisters in den Genuss einer solchen Begrüßung. Und zum ersten Mal seit Törnbeginn liegen die Boote aus fünf Nationen im Hafen nebeneinander: Estland, Großbritannien, Finnland, Deutschland und Litauen. Alle diese Flaggen werden von Hafenmeister und Wind ordentlich in Szene gesetzt.

04. Juni: Kihnu
Ja, wir liegen immer noch in Kihnus wunderbarem Hafen und genießen nach der gestrigen Schlemmerei und abendlicher Party das Inselleben – auch wenn wir im Gegensatz zu den Einheimischen nicht das berühmt-berüchtigte Tanzbein geschwungen haben. Leider bläst der Wind immer noch aus Nordwest bei einigermaßen hoher Welle, sodass wir zu unserem nächsten Ziel – exakt in Nordwest liegend – kreuzen müssten. Das droht zwar auch morgen, dann aber mit moderaterem Wind und Welle. Also schlemmen wir weiter 🙈

Wir wollen Euch nicht die gestrigen Party-Impressionen vorenthalten. Nur so viel: Uns gefiel der Abend 💃🕺

03. Juni: Kihnu
Eine kulinarische Inseltour stellt uns vor größere Herausforderungen, als wir gedacht haben: Knapp 20 Höfe beteiligen sich am Café-Fest, bei dem es von Ananas-Salat über Burger, Fisch-Häppchen und Rharbarberkuchen bis zu Zimtschnecken alles gibt. Was essen, was lassen? Wir futtern uns durch einen Bruchteil des Angebotes, darunter Fischkotelett, Kuchen und Fischbrote. Dann sinken wir bei Landwein erschöpft aufs Sofa und üben ein Selfie, als eine Möwe treffsicher beim Überflug aufs Sofa kackt. Unser Glück: Sie ist eher klein und muss das Zielen noch besser üben. Trotzdem landen Spritzer auf dem Handy und der Schipper-Hose. Nun ja. Irgendwas ist immer.

Farbenfroh sind auf Kihnu nicht nur die Röcke, sondern auch die Häuser. Wir überlegen noch, welche Farbe uns am besten gefällt. Aber entscheidet selbst.

02. Juni: Kihnu
Ein Hafentag verlangt nach besonderen Aktivitäten – es gilt, die Gegend zu erkunden und sich dem Bootsleben zu widmen. Letzteres nehmen wir uns heute als erstes vor, indem der Sauerteig mal wieder Futter bekommt. Schließlich soll er uns vor einem möglichen Hungertod bewahren, wenn wir in unbekannten Regionen kein Brot mehr bekommen. Allerdings wächst der Teig von Woche zu Woche, sodass wir jetzt etwas wegwerfen müssten. Das Internet hilft, kurzerhand gibt es zum Frühstück kleine Sauerteig-Eierkuchen mit Pflaumen.. Yummie! Die spätere Volkszählung der Konserven zeigt übrigens, dass wir auch ohne Brot überleben können 😂

Zwei wichtige Bastel-Arbeiten erledigen wir außerdem: Die ausgelöste Rettungsweste der Co-Skipperin laden und packen wir neu, und einen gebrochenen Schäkel an der Großschot ersetzt der Schipper – vorerst nur provisorisch und zwischen den Zutaten für die Eierkuchen. Wir haben halt ein kleines Boot.

Gut gefüllt starten wir am Mittag dann die Insel-Erkundung mit dem Fahrrad, bis zum Leuchtturm führt der Rundweg – vorbei an gestreiften (!) Autos, wunderbar bewachsenen Gemüsebunkern und viel Natur. Auf vielen Höfen entstehen die Cafés fürs Wochenende, wir freuen uns auf tolle Begegnungen, zumal die Zahl der Touristen mit jeder Fährankunft steigt. Auch die Zahl der Boote im Hafen explodiert: Gestern waren wir noch allein, heute liegen hier vier Segelboote …

01. Juni: Kihnu
Seit wir den Mare-TV-Beitrag über Kihnu gesehen haben, wollen wir die besondere Insel mit Frauen in gestreiften Röcken auf alten Motorrädern erkunden – immerhin herrscht hier nach Angaben der estnischen Reiseliteratur das Matriarchat: Weil die Männer oft und sehr lange auf See waren, hatten die Frauen das Sagen. Vor allem aber empfinden wir die Insel als ersten idyllischen Platz unserer Reise, mit Ausnahme der Kurischen Nehrung. Die Idylle passt auch deshalb, weil die Zahl der Touristen im einstelligen Bereich liegt. Wie sich die Insel im Sommer mit Menschen füllt, lässt sich an den noch ungenutzten Fahrrädern ablesen. Dabei handelt es sich auf unserem Foto um einen von mehreren Anbietern.

Im gut gestalteten Museum – der Kulturraum der Insel findet sich wegen der Traditionen und des Dialekts auf der von der UNESCO geführten Repräsentativen Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit – treffen wir die erste Frau im gestreiften Rock, der noch immer traditionell gewebt wird. Die Farben spiegeln quasi die Gemütslage. Enthält der Stoff viele Anteile des Kihnu-Rots, geht es der Trägerin gut. Bei Trauer überwiegt schwarz, dazwischen liegen reichlich farbige Abstufungen. „Unsere“ Kihnu-Bewohnerin besitzt zwölf Röcke für alle Anlässe – und weil sie verheiratet ist, trägt sie auch noch eine Schürze. Manchmal, sagt sie, ziehe sie aber auch eine Jeans an.

Wir finden schließlich ein Motorrad für Hügö, nach knatternden Maschinen halten wir bis Sonntag noch Ausschau. Denn am Wochenende stehen Café-Tage an, die wollen wir uns nicht entgehen lassen.

31. Mai: Skulte – Kihnu (60,5 Seemeilen)
Ja, die Co-Skipperin wollte anbaden, hat sie gestern schon angekündigt. Aber nicht so. Denn beim heutigen Anleger in Kihnu verliert sie erst die Vorleine, dann jedes Gefühl für die Länge ihrer Arme. Als sie nämlich die Leine angeln will, rutscht sie so weit an die Stegkante – in der festen Erwartung auf Erfolg -, dass sie kopfüber vom Steg fällt. Voila: Die Rettungsweste löst aus, und die Co-Skipperin schwimmt wie ein Korken im menschenleeren Hafenbecken.

Der Schipper steht jetzt vor zwei Problemen: Wie kriegt er den Korken an Bord und das Boot an den Steg? Über die eilig ins Wasser gelassene Badeleiter klettert die etwas aufgeblasene Co-Skipperin ins Cockpit und bewahrt zumindest so viele Nerven, dass sie das Boot an den Steg manövriert und der Schipper die Leinen legen kann. Er bleibt übrigens fast trocken – Angstschweiß zählt ja nicht.

30. Mai: Riga – Skulte (25,0 Seemeilen)
Bevor wir „unseren“ Hafen in Riga verlassen, kommt noch einmal der Hafenmeister mit der kleinsten seiner Glühlampen aus dem Werkzeugkoffer, um uns eine Lösung für den dunklen Kompass zu bieten: So groß ist die Hilfsbereitschaft. Leider passt auch diese nicht, das Gefühl der Verbundenheit aber wird noch einmal gestärkt. Wir sind gerührt, und der Abschied fällt uns schwer, aber es zieht uns weiter. Wir empfehlen diesen Hafen von Herzen gern allen Seglern und Seglerinnen weiter.

Lettland punktet weiter: Auf dem Weg nach Skulte funken wir den Hafenmeister an. Der ist zwar im Urlaub, organisiert aber einen Liegeplatz. Kaum biegen wir ins Hafenbecken ein, winkt auch schon Andi auf der Conkubine. Fröhlich zeigt er auf den freien Platz, nimmt die Leinen an und überlässt uns seine Hafenkarte. Wir fühlen uns im besten Sinne willkommen. Das gilt auch beim anschließenden Spaziergang durchs Dorf und der Stippvisite im Kulturzentrum, wo wir einer jungen Frau beim Weben zuschauen dürfen. Dafür braucht es Geduld, viel Geduld – also eher nix für die Co-Skipperin. Die peilt jetzt mal das Anbaden an …

29. Mai: Riga
Kaum besuchen wir Riga, gibt es einen Feiertag 🇱🇻 Gestern haben wir noch nachgelesen, dass der Pfingstmontag ein normaler Arbeitstag ist, da wundern wir uns am Mittag über den gefüllten Bus in Richtung City. Blumen, Fahnen, Schals, Shirts, Schminke: Rot und weiß dominiert. Ein kurzer Blick ins Netz klärt uns auf, dass das lettische Parlament nach dem gestrigen dritten Platz bei der Eishockey-WM in der Nacht den Feiertag ausgerufen hat – dem Ruf folgen Kleine und Große, von den 700.000 Einwohnern Rigas sind gefühlt 300.000 am Freiheitsdenkmal ❤️

Die ganze Innenstadt füllt sich an diesem Montag, während wir die Altstadt mit Dom, Gassen und Häusern erkunden, über das Jugendstilviertel staunen und am Ende im berühmten Zentralmarkt jede Menge Erdbeeren, Kirschen und Tomaten kaufen.

Morgen verlassen wir Riga wieder, in Erinnerung bleiben neben der phantastischen Innenstadt wieder einmal die Menschen am Hafen – und Albert. Der Betreiber des Regate-Shops müht sich nach Kräften, eine neue Glühlampe für unseren Kompass zu organisieren. Leider ohne Erfolg, aber dank seiner Unterstützung besitzen wir jetzt einen hoffnungsvollen Kontakt in Tallinn.

28. Mai: Riga

Natürlich wollen wir Euch Fotos aus Riga zeigen, nachdem wir unsere müden Knochen am Nachmittag ermutigen können, zum Bus zu gehen. Doch wie so oft kommt es anders als geplant: Als wir in der Innenstadt ankommen, bevölkern rot-weiß-rot geschminkte Menschen mit Flaggen und Latvia-Shirts die Straßen. Dass Lettland an diesem Nachmittag im kleinen Finale der Eishockey-WM steht, haben wir im Bootskosmos nicht mitbekommen – und auch in unserem kleinen Hafen werkeln alle weiter an ihre Schätzchen. Die Fan-Gesänge überraschen uns deshalb, und nach dem Sieg über die USA sind wir froh, dass wir nicht an der Uferzeile im Zentrum liegen.

27. Mai: Ruhnu – Riga (55,9 Seemeilen)
Vier Wochen, fünf Länder, 905,9 Seemeilen: Wir haben Riga erreicht, auch wenn sich die größte Stadt des Baltikums noch vor uns versteckt 😁 Denn wir liegen in Latvijas Jahta, einem ursprünglichen Hafen weitab des Trubels, dafür mit Privatdusche, WLAN und Plausch am Steg. Wer es wie wir nicht so schickimicki mag, ist hier genau richtig. Zumal es eine gute Busverbindung nach Riga gibt, die wir morgen testen wollen.

Abendsonne über Riga 😅

Nach so langer Zeit gemeinsam an Bord entwickelt sich eine gewisse Routine. Abweichungen sorgen sofort für Verwirrung, und deshalb sind wir heute mit Duschschwamm unterm Solarpanel gesegelt. Den hatte die Co-Skipperin gestern Abend ausnahmsweise dort zum Trocknen aufgehängt – und prompt vergessen. Zum Glück haben wir es vorm Einlaufen bemerkt … Auch den Leinen-Salat nach dem Spinnaker-Segeln beseitigen wir natürlich, sodass wir vorbildlich in die große Stadt fahren können.


26. Mai: Möntu – Rhunu (41,3 Seemeilen)
Schneller als die Küstenwache erlaubt, braten wir heute nach Rhunu – der Wind bläst deutlich mehr als angesagt, sodass wir am frühen Nachmittag die kleine Insel mit großem Charme erreichen. Zeit, endlich die Räder auszupacken und das Dorf zu erkunden. Kleine Holzhäuser, viel Wald und die älteste estnische Holzkirche stehen auf dem Touri-Programm. Und viel Ruhe. Damit dürfte es morgen vorbei sein, dann startet hier der Marathon. Wir genießen deshalb heute die menschenleeren Straßen und kehren ins Yljes am Hafen ein. Eine gute Entscheidung, es gibt leckere estnische Spezialitäten und eine unglaublich freundliche Betreiberin.

25. Mai: Ventspils – Möntu (45,9 Seemeilen)
Haben wir schon erwähnt, dass der Schipper am liebsten die lettische Flagge 🇱🇻 mag? Oben und unten rot, da kann er keinen Fehler beim Hissen machen. Heute aber kommt die estnische Flagge 🇪🇪 ins Spiel. Die Eselsbrücke beim Ablegen lautet: Blau wie der Himmel hängt oben. Ratet … Aber der Schipper kann eine echte Entschuldigung anbringen. Wir segeln nämlich entspannt von Lettland nach Estland und überlegen, ob wir direkt Ruhnu ansteuern sollen. Das würde einen langen Schlag mit ungewissem Wind bedeuten, und so peilen wir gegen 15.30 Uhr Möntu auf Saaremaa an.

Nur wenige Minuten später sieht der Schipper das erste Boot des Tages, ein Schiff der Küstenwache, und winkt fröhlich. Wir wissen nicht genau, was sich dort an Bord abspielt. Aber es dauert nur fünf Minuten, dann kommt das Boot mit großem Tempo in unser Kielwasser. Wie viele Leute auf der Serendi sind? Zwei, das wissen wir ganz genau. Woher wir kommen? Bei der Frage müssen wir vor lauter Schreck kurz überlegen. Ventspils. Das Boot dreht ab und begleitet uns eine Weile, möglicherweise prüft die estnische Crew noch die Info im lettischen Hafen. Anschließend wechselt der Schipper schnell die Gastlandflagge, erst einmal falsch herum. Aber er merkt den Fehler sofort, sodass wir absolut korrekt einlaufen können.

23. und 24. Mai: Klaipeda – Ventspils (117,9 Seemeilen)
Am Mittwoch um 14.20 Uhr liegen wir sicher vertäut in Ventspils, unserem ersten lettischen Hafen – 14 Stunden später als noch am Montagabend geplant und auch an anderer Stelle. Insgesamt 34 Stunden benötigen wir für den Schlag, das ergibt sich vor allem aus dem fehlenden Wind, wobei die Flaute dieses Mal noch nicht einmal die Co-Skipperin nervt.

Mit Sonne starten wir am Dienstag kurz nach 4 Uhr in Klaipeda, der angesagte Wind lässt auf sich warten. Dann aber füllt er über Stunden den Spinnaker, und die Serendi segelt über maushohe Wellen (seit Törnbeginn warten wir darauf, dieses Wort mal nutzen zu können 😅), das Radio spielt Oldies (Ton an), und wir genießen Meile um Meile, während wir uns die Agatha-Christie-Biografie vorlesen. Kein Vergleich zu dem langen Schlag nach Klaipeda. Und deshalb entscheiden wir am frühen Abend, zwei Häfen auszulassen und nach Ventspils durchzufahren. Zum Glück wissen wir nicht, dass auch der letzte Wind mit der Nacht einschläft.

Ein Vorteil: Wir können dieses Mal im Wechsel schlafen und steuern, Suppe, Bulgursalat, belegte Brote, Apfel, Möhrchen und Süßigkeiten schmecken – keiner von uns fühlt sich nach der langen Zeit erschöpft. So entspannt kann nächtliches Segeln also sein. Die Co-Skipperin überlegt nur, ob sie eine Petition startet: für Kreischverbot von Möwen in der Dunkelheit. Die nerven wirklich, wenn sie unvermittelt Radau machen. Irgendwas ist eben immer 😂

22. Mai: Nida – Klaipeda (26,9 Seemeilen)
Mit Wehmut nehmen wir Abschied von Litauen, seinen Menschen und der wunderbaren Natur.

Hügö dreht unterdessen am Rad: Die wollen schon wieder mitten in der Nacht los in Richtung Lettland. In zwei Stunden plündern sie den örtlichen Supermarkt mit Süßkram, Brot, Wurst und Käse, kochen Suppe mit Möhren und Bulgursalat, legen die Sicherheitsleine, bereiten den Spinnaker vor, bunkern Wasser und navigieren raus aus Klaipeda. Immerhin: Wind und Wellen sollen moderat bleiben.

21. Mai: Juodkrante – Nida (15,9 Seemeilen)
Es herrscht Flaute aus allen Richtungen, das sorgt bei der Co-Skipperin immer für Anspannung. Als Geduld verteilt wurde, fehlte sie nämlich. Deshalb entscheiden wir uns, weiter das Kurische Haff und Memeldelta zu erkunden. Damit erst gar keine Langeweile an Bord aufkommt, übernimmt die Co-Skipperin den Pütz-Dienst und spült den Friedhof der Mückentiere, den wir in Juodkrante angelegt haben, von Bord – während an Steuerbord die berühmten Dünen vorbeiziehen. Auch uns beeindruckt die Natur bei bestem Frühsommerwetter.

Als einziger weiterer Hafen an der Nehrung bietet sich Nida an, alle anderen sind zu seicht. Also tuckern wir bis fast an die russische Grenze, legen an und spazieren zum Sommerhaus von Thomas Mann – heute ein Museum und Kulturzentrum. Was für ein Ausblick! Wir können gut verstehen, dass Familie Mann einen Teil des Nobelpreis-Geldes in das Sommerhaus investiert hat.

Unsere Begeisterung für Nida samt alten Ortskern leidet etwas an der Düne. Noch 1993 konnten Petra und Gerd mit ihren Kindern die Düne am Ortsrand herunterrutschen, heute ist das Betreten nur auf Stegen erlaubt, und die Nida-Düne ihren ursprünglichen Charakter verloren. Wie gut, dass wir Leba besucht hatten. Immerhin funktioniert die Sonnenuhr, und auch der Blick nach Russland gelingt bei dem Sonnenschein – mit beklommenem Gefühl.


19. und 20. Mai: Juodkrante (Kurische Nehrung)
Stell dir vor, du lebst in dem 700-Seelen-Dorf Juodkrante auf der Kurischen Nehrung, gehst morgens mit dem Hund Gassi, lädst als Fahrradverleiher gerade Räder ab oder wirfst die Angel ins Haff – da sprechen dich wahlweise eine Frau in Ski-Unterhose auf dem Weg zum Dixiklo (mit Klopapier in der Hand) oder ein Mann (der eben noch mit einer überdimensionalen Stange im Hafenbecken stocherte) an, ob du Englisch sprichst und ob du einen Taucher kennst. Du rufst a) die Polizei und den Rettungsdienst, gehst b) kopfschüttelnd weiter oder bietest c) deine Hilfe an.

Was sollen wir sagen: Alle Menschen hier haben c gewählt – nachdem dem Schipper am Freitagabend der Abgaskamin der Heizung ins Hafenbecken gepurzelt war. Der Schrecken erst groß, vor allem weil die abendliche Suche mit Kescher und Stange nur zu Steinfunden führte. Schon abends aber mühen sich eine Touristin (Hinweis auf einen Beschäftigten der Küstenwache) und eine junge Familie (Hinweis auf das Aquarium). Doch all das hilft nur bedingt weiter.

Und so quatschen wir in unserer Morgenroutine alle an, die uns vor die Füße laufen. Mit Erfolg: Der Fünfte, ein Gassigeher, kennt einen Taucher, der uns zwar nicht helfen kann, aber jemanden kennt, der helfen kann. Ein kurzer Anruf bringt uns zu Jürgis, der knapp zwei Stunden später aus Klaipeda anrollt. Rein in die Taucherklamotten, ab ins Wasser mit dickem Neopren, Lampe und Metalldetektor – keine Viertelstunde später halten wir den Kamin wieder in der Hand. Beim anschließenden Kaffee entpuppt sich unser Retter, der hauptberuflich im Hafen von Klaipeda die Molen abtaucht, als ausgesprochen freundlicher Familienvater. Und den Kamin schraubt der Schipper schnell noch an, solange Jürgis an Bord ist. Sicher ist sicher… 😂

18. Mai: Klaipeda
Ein Hafenmeister, der uns eigens an die Brückenöffnung erinnert, eine Obsthändlerin, die uns nur mit Gesten versteht und fröhlich anlächelt, ein gut gelaunter Kellner: Klaipeda punktet wie schon die polnischen Stationen mit ausgesprochen freundlichen Menschen. Und mit Skulpturen, die wir an allen Straßen und Plätzen entdecken. Für uns gehören auch die liebevoll gestalteten Innenhöfe zu den Highlights, die vor allem im Kontrast zu den noch unsanierten Gebäuden der Sowjet-Ära auffallen.

Frage des Tages: Wo ist das Foto vom Vielleicht-U-Boot?
Antwort: Nach stundenlangen Transfer-Versuchen haben sich Kamera und iPad doch noch geeinigt. Ihr findet das Bild jetzt im Törnbericht von gestern.

16. und 17. Mai: Gdynia – Klaipeda (121,8 Seemeilen)
Soooo haben wir uns den Start nach Litauen nicht vorgestellt: Es herrscht beim Ablegen um 4 Uhr Flaute aus allen Richtungen, deshalb fahren wir unter Motor und Unterstützung der Genua aus der Danziger Bucht. Gut zwei Stunden später frischt der Wind auf, sodass wir auch das Groß setzen. Die Wellen – überschaubar. So kann es gern weitergehen, weshalb sich die Co-Skipperin zur ersten Schlafstunde mit Shaun und Ulli zurückzieht. Doch der Wind legt nach, gegen 10 Uhr holen wir das Groß ein und reduzieren die Genua auf 60 Prozent. Die Segelfläche reicht, um Meile für Meile in Richtung Klaipeda mit durchschnittlich sechs Knoten zu braten.

Doch dann kommen sie, die Wellen – die wir bei der Törnplanung anfangs nicht so berücksichtigt hatten. Im Sekundentakt rollen sie von achtern, schieben sich unter das Boot und versetzen die Serendi in eine Art Dauerschaukel. Die Kommunikation an Bord geht gegen Null, die Co-Skipperin müsste zwei Schals und drei Kapuzenkragen vorm Mund beseitigen, um nicht gegen eine Wand aus Stoff zu sprechen. Der Schipper müsste sich zwei Kapuzen vom Ohr schieben, um überhaupt hören zu können. Und wenn jemand was sagen würde, dann würde alles unterm Getöse der Wellen verschwinden.

Ab dem Nachmittag fehlt uns zu vielem anderen die Lust: Wegen der Schaukelei begrenzen wir den Weg unter Deck auf ein Minimum, hat keiner von uns Appetit auf irgendwas. Normalerweise futtern wir alles Süße und Salzige innerhalb weniger Stunden auf, dieses Mal bleibt alles liegen – und gleichzeitig wissen wir, dass wir etwas essen müssen, um nicht wirklich seekrank zu werden. Also kauen wir lustlos auf Broten herum und trinken, aber letztlich reicht beides nicht für diesen langen Schlag. Doch das spüren wir erst später nach dem Anlegen.

Bis dahin freuen wir uns über einen blinden Passagier, als sich ein kleiner Vogel völlig erschöpft auf der Reling niederlässt. Gerade noch können wir verhindern, dass er unter Deck fliegt. Fasziniert beobachten wir über Stunden die Wellen, die sich im Laufe des Tages immer weiter aufbäumen. Wir mögen nicht darüber nachdenken, was ein späterer Start bedeutet hätte. Die Serendi geigt an Kaliningrad vorbei, konzentriert halten wir Ausschau nach Dickschiffen und Marine-Booten. Doch nur ganz vereinzelt sehen wir die Containerschiffe am Horizont ziehen.

Bis der Schipper am frühen Abend zwischen uns und der russischen Küste einen scheinbar treibenden Großfender entdeckt. Das Merkwürdige: Das schwarze Teil treibt nicht mit den Wellen, sondern liegt fest oder fährt sogar gegen den Wind – das ist schwer zu beurteilen, wenn man selbst mit sechs bis acht Knoten durch die Wellen eiert. Ein Blick mit dem Fernglas scheitert an den Wellen. Ein Foto mit der Kamera gelingt. Und immer mehr beschleicht uns der Verdacht, dass wir von der Besatzung eines U-Bootes beobachtet werden. Wie auch immer. Der Abstand beträgt einige 100 Meter und wir fühlen uns zu keiner Zeit an diesem Tag von irgendjemandem bedrängt, aber es bleibt ein wenig unheimlich.

Langsam kommt die Nacht und mit ihr die Kälte. Sie kriecht ins Cockpit und unter die Klamotten, die Müdigkeit und fehlendes Essen sorgen dafür, dass wir richtig frieren. Doch klar ist zu dem Zeitpunkt auch, dass es zum Durchhalten keine Alternative gibt. Also schauen wir auf einen hellen Lichtschein am Himmel und hoffen, dass die Lichter von Klaipeda uns den Weg weisen. Das machen sie auch, Doch letztlich liegen zwischen erstem Wahrnehmen der Stadt und Ankunft noch vier Stunden wildes Geschaukel. Wie gut, dass wir das zu dem Zeitpunkt nicht wissen.

Denn das Aussteuern der Wellen kostet Kraft, sonst würde die Genua immer wieder halsen – dabei schlägt das Segel mit lautem Knall um. Letztlich gibt es keine Minute Pause, und die körperlich herausfordernde Steuerung verhindert, dass die Co-Skipperin – normalerweise der lebendige Autopilot – zum Einsatz kommt.

Die Serendi schaukelt sich vorbei an der Kurischen Nehrung, immer in Richtung der Hafeneinfahrt, in der dann morgens um 2.30 Uhr (deutscher Zeit) noch ein Bagger baggert und die Einfahrt verengt. Glücklicherweise manövriert der Schipper die Serendi an dem Hindernis gekonnt vorbei, während die Wellen uns ein letztes Mal ordentlich durchschütteln. Dann finden wir Schutz hinter der Mole und tuckern unter Motor in den Yachthafen, nachdem wir via Funk bestätigt haben, dass wir aus Polen und nicht aus Russland kommen. „Welcome“, sagt die Stimme zu unserm Glück. An einem Fingersteg legen wir morgens um 3 Uhr an, unser Schutzengel Maike – die jeden Törn digital begleitet – leistet ganze Arbeit und wir landen mit dem schlechtesten Anleger des Törns – jedoch ohne Schaden – am Fingersteg.

Ihr gehört unser großer Dank ebenso wie Olli, der uns über die App der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger über Teile des Schlags tracken kann und bis zum frühen Mittwochmorgen unsere Position verfolgt. Die Co-Skipperin schafft noch einen Grog und dann das Bett, der Schipper macht das Boot noch hafenfein. Wir haben Klaipeda erreicht, gesund und mit heilem Boot. Darüber sind wir unbeschreiblich erleichtert und dankbar – und zu unserer großen Freude können wir am Mittag in den Hafen am Kastell umlegen, wo uns ein freundlicher Hafenmeister begrüßt und die kleine Drehbrücke öffnet. Gleich danach hisst er die deutsche Fahne im Hafen, zum Glück hat der Schipper gleich nach der Ankunft die litauische Gastlandflagge gesetzt. Und am Rest des Tages vertilgen wir den Proviant der Überfahrt und schlafen aus 😂

15. Mai: Gdańsk – Gdynia (14,1 Seemeilen)
Eigentlich wollen wir kurz nach 8 Uhr die Klappbrücke passieren, doch die ist zu unserer Überraschung geschlossen. Für den Brückenwärter kein Problem: Er zieht den futuristisch anmutenden Überweg für uns hoch, und wir können passieren. Nach der obligatorischen Tour durch den Industriehafen bis zur Danziger Bucht ziehen wir alle Segel hoch, um nur zwei Stunden später wieder das Groß zu bergen. Zu stark sind die Böen, die uns nach Gdynia treiben. Ihnen folgt Regen. Viel Regen. Und so verbringen wir – bis auf den erfolgreichen Fenderkauf – den Tag in der trockenen (und sauberen) Kuchenbude. Bei einem so anstrengenden Tagesprogramm brauchen wir dringend eine kräftige Mahlzeit: Fleischklößchen, Rotkohl, Kartoffeln.

So vergeht der Tag, bis wir abends die Törnplanung nach Klaipeda angehen. Eigentlich plant der Schipper, am Dienstag gegen 14 Uhr abzulegen. Die Uhr im Salon zeigt zu dem Zeitpunkt 19.27 Uhr an. Weil uns der vorhergesagte Wind und vor allem die starken Böen beunruhigen, funken wir den erfahrenen Segler (und Segellehrer) Olli an. Er nimmt sich Wetter und Wellen vor, das Ergebnis: Der beste Zeitpunkt zum Ablegen ist am Dienstag um 4 Uhr. Dann verschonen uns die ganz hohen Wellen, die sich mit andauerndem Starkwind aus West aufbauen werden. Eine Argumentation, die uns überzeugt.

Und so bereiten wir in zwei Stunden das Boot für den langen Schlag vorbei an Kaliningrad vor: Routing, Stirnlampen und Scheinwerfer laden, Riggcheck, Y-Leine für die Sicherheit, Reffs, Lifebelts, Suppe und Bulgursalat als Proviant. Um 23 Uhr machen wir das Licht aus, die Nacht wird schließlich kurz.

14. Mai: Gdańsk
So geht Sonntag: lange schlafen, opulentes Frühstück mit Rührei und frischen Brötchen, fachsimpeln übers Segeln. Im Moment dreht sich vieles um die Frage, wann und auf welcher Route man am besten nach Klaipeda kommt. Ein deutscher Segler, seit heute im Hafen, will über Gotland fahren, um einen großen Bogen um Kaliningrad zu schlagen. Uns ist die Strecke zu weit. Wir planen eher mit der direkten Route, brauchen dafür mindestens 24 Stunden konstanten Wind – möglichst nicht aus Ost. Für Mittwoch zeichnet sich ein Wetterfenster ab, das passen könnte. Alexander, einem weiteren Segler im Hafen, erscheint es zu kurz für sein Boot. Es ist ein permanentes Abwägen.

Wir konzentrieren uns deshalb weiter aufs Erholen und zwei Schläge auf der Danziger Bucht. Morgen geht es nach Gdynia zum Yachtausrüster wegen einer weiteren Segellatte, dann benötigen wir neue Fender. Im stürmischen Geschrammel an der Hafenmauer von Mrzezyno ist einer geplatzt. Und übermorgen peilen wir Hel an – Startpunkt für Klaipeda.

Aber zum Sonntag gehört auch die Bootspflege: Hügö muss mit dem Schipper die Motorbilge putzen, die Co-Skipperin gewinnt die Reinigung von Kuchenbude und Sprayhood.

13. Mai: Gdańsk
Wer heute an der Waterlane flaniert, kommt an der Serendi nicht vorbei. Socken, Shirts und Ski-Unterwäsche trocknen im Wind.

Wir nutzen die Zeit einmal mehr für einen Stadtbummel durch die alten Gassen und bewundern die Wasserspeier aus Stein. Sie sorgen dafür, dass Regenwasser versickert – allerdings nicht heute: Uns verwöhnt die Sonne.

Am späten Nachmittag treffen wir mit Alexander jenen Segler aus Leba wieder, der ebenfalls den Schlag nach Klaipeda plant. Schnell merken wir, dass die Zeit für einen Plausch am Steg nicht reicht, deshalb verabreden wir uns für ein sonntägliches Frühstück. Vor dem Einkauf darf Hügö aber schlemmen: Eis, Wein und Waffeln. Jetzt kneift die Rettungsweste 😁

12. Mai: Hel – Danzig (18,9 Seemeilen)t
Was sollen wir sagen? Mit perfektem Segelwind queren wir die Danziger Bucht, passieren die Westerplatte und quälen den Motor so, dass wir um 15 Uhr pünktlich die Brückenöffnung schaffen. Und auch in der Stadtmarina finden wir einen guten Platz. Theoretisch. Praktisch verliert der Schipper erst einen Fender, dann schickt uns der Bootsmann in die hinteren Plätze. Der Millionärsbereich ist für uns tabu (und dabei haben wir noch nicht einmal die Wäsche aufgehängt). Beim Umlegen verpasst die Co-Skipperin zweimal die Box, das Ergebnis der vielen Kringel seht Ihr im Track.

Nach einer kurzen Erholungspause klemmt sich die Co-Skipperin die Wäschebox unter den Arm, quert die Waterlane und marschiert ins Hotel Gdańsk, eines der besten Häuser am Platz. Irgendwie hatte sie sich nach der Lektüre des Hafenführers gemerkt, dass sich dort das Büro des Hafenmeisters und damit die Waschmaschine befindet. Weit gefehlt. Aber die Leute wollen beim Essen ja unterhalten werden. Immerhin behält das Personal die Contenance und schickt sie zum Hafenoffice, wo der Bootsmann das korrekte Befüllen und Einschalten der Maschine überwacht.

Nach diesen Aufregungen genehmigen wir uns einen Stadtrundgang durch die wunderschön beleuchteten Gassen. Morgen geht es weiter: das Bummeln und das Waschen.

11. Mai: Wladyslowowo – Hel (34,2 Seemeilen)
“Ranzig nach Danzig“ – so fassen wir bis zum Nachmittag unsere aktuell größte Sorge zusammen. Denn wir sind in der Vor-Vor-Vor-Saison unterwegs und müssen entsprechend oft auf Duschen verzichten. Doch einen perfekten Segeltag mit konstantem Wind und Sonne krönen nach dem Anlegen in Hel ein fröhlicher Hafenmeister und eine heiße Dusche. Die Großstadt kann also kommen und mit ihr die Waschmaschine …

Hel punktet bis dahin mit idyllischer Hafenpromenade und kaschubischen Schnitzereien, unter anderem der längsten Bank, die je aus einem Baumstamm geschnitzt wurde. Die passt nicht aufs Bild, dafür aber der Akkordeonspieler als Gruß an den Papa der Co-Skipperin 😍

10. Mai: Leba – Wladyslowowo (44,6 Seemeilen)
Geschafft: Die Danziger Bucht ist in Sicht, wir haben die Halbinsel Hel mit launischem Wind und zähem Ringen erreicht, Einmal stimmt die Windvorhersage nicht, statt Anliegerkurs bläst der Wind gegenan. Der Schipper refft die Segel im Stundentakt ein und am Ende wieder aus. Aber wir liegen abends sicher in Polens größtem Fischereihafen und bekommen im ortsansässigen Laden nach 21 Uhr sogar noch Chips.

09. Mai: Ustka – Leba (31, 9 Seemeilen)
Heute ist der Tag der Premieren: die erste Nacht ohne Schlafmütze, der erste Schlag ohne Thermosohlen, der erste Segler, den wir vor der polnischen Küste treffen. Und wie gut, dass die Co-Skipperin auf dem Maschsee gelernt hat. Denn wie dort gibt es heute drehende Winde, Flaute, Böen – davon reichlich.
In der Flaute muss der Skipper mit Hügö das Deck schrubben, die Möwen haben die Steuerbord-Seite (also die Schipper-Seite) als Klo genutzt. Eimerspiele für Fortgeschrittene also.

Wir sehen schon vom Boot aus die berühmten Wanderdünen, schnüren nach Essen und Mittagsschlaf die Wanderschuhe und gehen direkt vom Hafen acht Kilometer am einsamen Strand bis zu den Dünen. Die Wanderung lohnt sich, die Aussicht ist einfach beeindruckend. Und: Die ganze Dünenlandschaft gehört uns, es gibt keine weiteren Touristen.

Allerdings zerschlägt sich damit auch unsere Hoffnung auf Bus, Bahn oder sonstige Mitfahrgelegenheit zurück – wir wandern tapfer zurück und werden belohnt mit einem schönen Weg zwischen Dünen und Leba-See.

08. Mai: Ustka
Der Wind schwächelt, wir auch. Deshalb legen wir einen Hafentag ein und versorgen uns mit neuem Proviant: frisches Obst, Joghurt, Käse, Wurst. Und auch Zutaten für Suppen, die wir an den nächsten beiden Tagen benötigen, denn wir planen wieder längere Schläge in Richtung Danzig. Leider haben wir die Gulaschsuppe von den Ölis schon verputzt … Der Skipper hofft unterdessen, dass sich dieser Traum erfüllt, den wir an der Hafenpromenade entdeckt haben:

07. Mai: Darlowo – Ustka (30,9 Seemeilen)
Die Co-Skipperin besteht eigentlich aufs abendliche Aufräumen, aber dafür fehlte in der Nacht sichtbar die Kraft 🙈

Erst schlafen wir aus, dann räumen wir auf, ehe wir einmal mehr allein und mit reichlich Speed über die Ostsee braten. Unser Ziel: Ustka. Vor dessen Küste starben im Januar 1945 Tausende Menschen, nachdem ein russisches U-Boot die Wilhelm Gustloff versenkt hatte. Ein beklemmendes Gefühl stellt sich bei uns ein, während wir die heutigen Schießgebiete queren.
Die Serendi läuft so super am Wind, dass wir die Gewalt des Starkwindes unterschätzen und nicht Reffen. Das rächt sich beim Einholen der Genua, als sich fast die Leinen verklemmen. Die Serendi verzeiht den Fehler, bis auf ein paar ungewollte Bügelfalten im Segel geht alles gut.
Der Kurort zeigt sich dann von einer wunderbar warmen Seite: Der Hafenmeister lässt die Brücke für uns fünf Minuten länger geöffnet, sodass wir nicht im Vorhafen kreisen müssen. Dann flitzt er noch quer durch den Hafen, um uns den Liegeplatz persönlich zuzuweisen und die Leine anzunehmen.

06. Mai: Mrzezyno – Darlowo (63,9 Seemeilen)
Gegen 10 Uhr wagen wir es: Wir werfen die Leinen los und steuern die Hafenausfahrt an, die immer noch von der Brandung überspült wird. Die Serendi schaukelt heftig, mehrfach zeigt das Echolot in der im Sturm versandeten Ausfahrt weniger Tiefgang an, als die Serendi hat. Das befürchtete Knirschen bleibt zum Glück aus, wir haben es geschafft und hoffen auf einen entspannten Schlag nach Darlowo.
Doch der angesagte passable Wind entpuppt sich kurze Zeit später als Flaute, dann als Starkwind aus der falschen Richtung. Auf der Kreuz fahren wir 14 Stunden, die eigentliche Strecke von 48 Seemeilen verlängert sich. In dieser Zeit sehen wir kein einziges Boot. Aber eine Alternative haben wir nicht: Ab Montag sind zwei Schießgebiete auf unserer Route gesperrt (wie uns Hubert innerhalb weniger Minuten aus Langenhagen und des Polnischen mächtig bestätigt); das würde einen Riesenumweg bedeuten. Gegen Mitternacht liegen wir erschöpft vor der Brücke von Darlowo.

Wir wollen ja auch was für Eure Bildung tun, deshalb diese Info: In Darlowo (Rügenwalde) stand bis Kriegsende eine Wurstfabrik, die wir heute alle kennen. Und Teewurst heißt Teewurst, weil sie zur Teezeit aufs Brot geschmiert wurde. Oder wie der Skipper sagt: Ich würde das After Eight nehmen.

05. Mai: Mrzezyno
Twenty years ago was my first working day with REpower – cheers to all collegues of Siemens Gamesa, Senvion and Ex-REpower! Hasta luego, bis bald, CU 🙂


04./05. Mai: Mrzezyno
Unser Plan für die Nacht geht nicht auf: Das Wasser drückt ins Hafenbecken, der Wind das Boot an die Kaimauer. Zwei Stunden versucht der Skipper, die Serendi mit Leinen und Fendern zu sichern. Ohne Erfolg. Die Wellen kommen ins Hafenbecken, brechen sich am Kopf und schlagen zurück. Auf und ab springt die Serendi, trotz einer Landleine quer durchs Hafenbecken. Gegen 23 Uhr fällt die Entscheidung, einen anderen Liegeplatz in einem Hafenbecken anzusteuern, das vor einer Werft liegt. Zwei Stunden brauchen wir, um die Serendi mit Hilfe der quer durchs Hafenbecken gespannten Landleine von der Mole wegzuwinschen. Zentimeter um Zentimeter ziehen wir sie in die richtige Position, damit wir mit entschlossenem Motoreinsatz gefahrlos ablegen können.
Am Ende lassen wir drei der sieben Landleinen erst einmal liegen und tuckern durch die Dunkelheit an den neuen Liegeplatz, neu gefendert und mit Festmachern ausgestattet. Gegen 1 Uhr haben wir es geschafft, allerdings muss der Skipper noch einmal quer durchs Dörfchen laufen, um die zurückgelassenen Leinen zu holen. Und dann gelingt ihm noch ein besonderer Coup: Die Stromsäule am neuen Platz liefert Strom für Heizlüfter und Wasserkocher am Morgen, mehr geht nicht. Deshalb legen wir erst einmal einen Hafentag ein.

04. Mai: Swinemünde – Mrzezyno (48,6 Seemeilen)
Eigentlich sagen alle Wetter-Apps für den Morgen eine ordentliche Flaute voraus, wir legen dennoch gegen 9 Uhr ab und hoffen auf einen Schlag nach Dziwnów bis zum Abend. Doch, wie Jonas-Skipper Stefan immer richtig anmerkt, das Wetter findet nicht im Internet, sondern draußen statt. Für uns ein Glück, denn der Wind bläst ordentlich, sodass wir Dziwnów auslassen und nach Mrzezyno durchfahren. Über weite Strecken in Begleitung eines polnischen Militärboots, dessen Besatzung unseren Kurs kontrolliert – nicht, dass wir noch ins Sperrgebiet fahren. Nach elf Stunden kommen wir erschöpft an und legen uns ans Ende des Hafenbeckens. Das es weder Strom noch Klos gibt ist uns egal – Essen, schlafen – so lautet der Plan.

03. Mai: Hafentag in Swinemünde
Der Wind lässt uns heute im Stich, also legen wir einen Hafentag ein und suchen die Landfein-Klamotten zusammen. Die wollen ja auch mal gelüftet werden, deshalb spazieren wir den Strand in Richtung Ex-Grenze und zurück. Wir wundern uns über die vielen Menschen am Strand und die geschlossenen Geschäfte – bis wir erfahren, dass heute ein Feiertag ist. Schaufensterbummel fällt also aus, dafür machen wir klar Schiff. Hügö muss mit Roland den neuen Badeleitertritt anbauen. Der alte bleibt verschollen. Wir warten nach der Montage der Ersatzstufe jetzt aber täglich auf seine Entdeckung.

02. Mai: Stahlbrode – Swinemünde (45,9 Seemeilen)
“Nur bei einem U-Boot, einem Pottwal oder einem Buckelwal kannst Du mich rufen“ – sagt der Schipper und geht zum Mittagsschlaf, an den wir uns gerade täglich auf dem Wasser gewöhnen. Beim Schlag von Schilksee nach Gedser begleiteten Schweinswale die Serendi, weshalb die Co-Skipperin den Skipper weckte. War falsch. Wissen wir jetzt. Wobei: Die Schweinswale waren wirklich dicht am Boot. Ehrlich.
Wie auch immer: Nach tollem Wind auf dem Greifswalder Bodden, vor Peenemünde und anschließender Flaute vor Usedom laufen wir am Abend in Swinemünde ein. Zum ersten Mal weht die polnische Gastlandflagge auf der Serendi 🙂

01. Mai: Stralsund – Stahlbrode (9,8 Seemeilen)
Der Tag startet gleich doppelt gut: Öli kommt zum Frühstück, und Segelmacherin Katrin Schmidt rettet unsere schnelle Weiterfahrt. Aber der Reihe nach. Zum ersten Mal seit Törnbeginn ist es so warm, dass die Temperatur im Salon zweistellig ist. Draußen scheint die Sonne, sodass wir den Frühstückstisch in der Kuchenbude decken. Bei Kaffee und Tee, Brötchen und Belag vergeht die Zeit beim Klönen dann sehr schnell – und Öli öffnet eine Bremer-Wundertüte: Grünkohl mit Pinkel, Gulaschsuppe, Schoki und Mettenden.

Letztere spielen an Bord der Serendi eine besondere Rolle, weil wir bei einem Törn im Jahr 2021 über mehrere Tage die Würstchen in allen Bilgen und Backskisten gesucht haben. Bis ein Blick auf den Kassenbon zeigte, dass die Mettenden nie den Supermarkt in Kiel verlassen hatten. Falls wir sie jetzt suchen, erinnert uns: Sie liegen im Kühlschrank.

Eine gebrochene Segellatte beschäftigt uns seit dem Schlag nach Gedser. Sie muss dringend getauscht werden. Aber erst ist Wochenende, dann 1. Mai. Eigentlich müssten wir jetzt bis Dienstag warten, ehe wir weiterziehen können – gäbe es nicht Katrin Schmidt. Die hilfsbereite Segelmacherin, die nur 10 Fussminuten von dem Stadthafen entfernt ihren Werkstattladen betreibt, bietet uns nach einer sonntäglichen SMS an, dass sie uns am Feiertag die Segellatte zusägt und verkauft. Das nehmen wir gern an und erfahren dabei, dass sie sich vor genau 25 Jahren selbstständig gemacht hat. Herzlichen Glückwunsch an dieser Stelle!

Und zu guter Letzt taufen wir an diesem Tag im Hafen von Stahlbrode nun endlich unser bislang namenloses Nilpferd: Es hört künftig auf Hügö und mag, wie Ihr seht, Fischbrötchen und Wein.

30. April: Gedser – Stralsund (51,1 Seemeilen)

Die Entscheidung ist gefallen: Solange es nachts so rattenkalt ist, verzichten wir auf Nachtfahrten. Und auch diese Entscheidung treffen wir gern: Wir steuern Stralsund an, um dort Rolands Freund Öli zu treffen – unverhofft kommt oft. Vor dem Darßer Nordkap sehen wir ihn das erste Mal, als er mit dem Flieger über uns hinwegsaust. Am Abend dann treffen wir uns an Land, und eigentlich gibt es viel zu erzählen. Doch die langen Schläge sorgen dafür, dass die Crew fast am Tisch einschläft. Das ist nicht so schlimm, denn wir verabreden uns für ein gemeinsames Feiertagsfrühstück an Bord.

Frage des Tages: Wo seht Ihr die Serendi?
Antwort: Auf dem Suchbild 🙂

29. April: Schilksee – Gedser (65,6 Seemeilen)
“Alles unter 5,5 macht mich nervös“, sagt der Schipper am Vormittag, als die Logge stetig gut 6 Knoten anzeigt. Doch der Wind geht in die Mittagspause, und wir müssen uns sogar an die 1 vorm Komma gewöhnen. Flaute braucht Geduld, und Geduld wird belohnt. Der Wind kommt zurück. Und wie. Auf den Wellen surfen wir nach Gedser und schaffen so den Rekord von 9,2 Knoten. Wenn das mal kein gelungener Auftakt ist 🙂 Nach gut 13 Stunden liegen wir sicher im Hafen. Morgen geht es weiter.

28. April: Kiel
Fest in Schilksee – schreiben wir heute Abend ins Logbuch. Hinter uns liegt ein nur kurzer Schlag auf der Förde, aber wir wollten jetzt endlich los und freuen uns dann über den Besuch von Hendrik an Bord. Großer Glückwunsch an ihn zum SBF! Morgen geht es weiter – das Ziel steht noch nicht ganz fest. Angesichts der Temperaturen graut es mir vor der geplanten Nachtfahrt. Also Stopp in Gedser? Und dann könnten wir Rolands Freund Öli auf Rügen treffen. So viele Optionen … Wir schauen morgen weiter.

Die Spannung steigt – vor dem Start

27. April: Kiel
So, es wird ernst: Noch einen Tag bis zum Start. Wir rollen vollgepackt mit den Rädern auf den Steg, packen die Segel aus, futtern noch einmal mit Olaf (lieben Dank für Schoki und Klamotten-Shuttle nach LA, Bilder und Buch), schmeißen vor allem die Heizungen an und haben endlich auch wieder Wasser im Tank.

Die Wettervorhersage für Freitag kündigt Regen am Abend an, deshalb werden wir wohl schon am Nachmittag in Richtung Schilksee ablegen. Und wenn es so kalt bleibt, behalte ich Ulli um – den Wärmflaschengürtel, den meine Kolleginnen und Kollegen mir samt Selfie-Stick mitgegeben haben. Journalisten sind halt immer dicht dran 😉

25. April: Langenhagen und umzu
Die Zeit läuft: Noch in dieser Woche legen wir ab – bis dahin verabschieden wir uns: von Eltern und Kindern, Freundinnen und Freunden und ich vom weltbesten Team (fast ohne Tränen). Der meist gesagte Satz im Moment: Wir kommen ja wieder 😍 Bis dahin nutze ich Wärmflasche & Co ausgiebig. Versprochen!

23. April: Langenhagen
Unsere Crew bekommt überraschend Zuwachs: Ein noch namenloses Nilpferd (im Bild links) kommt mit auf große Tour. Sein alter Kumpel Nili war beim Oslo-Törn vor fünf Jahren dabei und hat uns viel Glück gebracht. Lieben Dank für den knuffigen Begleiter aus Gehrden an Kristina, Olli, Kilian und Tim!

22. April: Langenhagen
Frage des Tages: Habt Ihr eine Rettungsinsel mit? Und wo liegt die?
Antwort: Ja, wir haben eine Rettungsinsel an Bord (Danke an Manfred), die wir in der Achterkammer lagern – unser Deck ist schlicht zu klein. Bei der Insel liegt auch ein „Grab Bag“, also eine Tasche, die wir im Notfall schnell greifen und mitnehmen. Darin finden sich Papiere, Wasser, Kaugummi, Tüten fürs Erbrechen, eine Kreditkarte, ein Signalspiegel, Erste-Hilfe-Pack, Medikamente (Schmerzmittel), Hand-GPS, Sicherungsleine, Stirnlampe, Panzertape, Messer, Pyrotechnik, Studentenfutter und fünf Snickers. Um letztere sorgt sich der Skipper am meisten, falls die Tasche mal geklaut werden würde 🙂

16. April: Langenhagen
Die Zeit läuft, und wir testen die Systeme auch auf dem Trockenen. Heute: das Ankern in der Wohnung. Spoiler: Auf dem Balkon funktioniert die App, auf dem Sofa nicht …

Frage des Tages: Wie und wo wascht Ihr Eure Wäsche?
Antwort:
Wenn wir in einem Hafen eine Waschmaschine finden (und passende Münzen besitzen), nutzen wir moderne Technik. Sonst haben wir groß investiert in zwei Pakete mit je drei Kernseifen für insgesamt 1,98 Euro.

7. bis 10. April: Kiel – Schleimünde – Kiel
Was sollen wir sagen: Anfang April ist es noch kalt. Sehr kalt. Und so segeln wir zwar bei bestem Sonnenschein die Förde in Richtung Schleimünde, um den Lieblingsleuchtturm zu sehen. Doch ohne beheizte Thermosohlen, Fellhandschuhe und Wärmflasche geht nix, zumindest nicht bei Antje. Aber der Test vor dem großen Ablegen gelingt, die Solarpanels liefern Strom, das Boot pflügt durch die Ostsee, die Seeventile halten, die Backskisten sind gefüllt. Einzig der seit dem Kranen vermisste Tritt von der Badeleiter bleibt verschollen. Da muss der Schipper noch mal nacharbeiten bis zum Start rund Ostsee … Und auch die Rückfahrt klappt prima, bei böigem Wind geht es rasant Richtung Heimathafen.

Frage des Tages: Wo liegt die Packung mit Kartoffelpüree?
Antwort: Ich habe keine Ahnung. Sie muss an Bord sein, aber keiner weiß wo. Also kaufen wir nach, damit die Suppe nicht noch mal vom Teller schwappt.

25./26. März: Kiel
Die Serendi liegt nach dem Schleusen und einem ersten Segelschlag im Heimathafen – und schon muss sich Hendrik leider von Bord verabschieden. Lieben Dank für die Fotos, die Zeit und gute Laune 🙂

25. März: Rendsburg – Kiel
Mit tatkräftiger Hilfe von Hendrik bekommt die Serendi nicht nur die Genua, sondern auch Baum und Groß verpasst. Und mit tatkräftiger Hilfe durch den Rückenwind landen der Schipper, sein Co-Skipper und die Serendi schon mittags in der Schleuse Holtenau und am Nachmittag im Heimathafen. Das Leben kann so schön sein.

24. März: Rendsburg
Dann beginnt das Stauen: Lebensmittel für vier Wochen verschwinden in Backskisten und Bilgen, Seekarten für Polen, Litauen, Lettland, Estland, Finnland, Schweden und Dänemark l unter Matratzen. Als neue Mitreisende begrüßen wir zwei Solarpanels unter dem Salontisch 🙂 Und: Auch unsere Klamotten für den Segelsommer haben wir schon verstaut. Eigentlich kann es jetzt losgehen …

Der Winter endet an diesem Freitag um 10.30 Uhr: Unter den versierten Griffen der Rosemänner schwebt die Serendi ins Wasser – noch nackt ohne Mast, Baum und Segel. Aber: Der Motor springt an, als ob es keine Winterpause gegeben hätte. Das Boot ist dicht, das Wetter trocken. Mehr geht nicht. Und irgendwie fällt die Anspannung der letzten Tage und Wochen in Minuten ab.

23. März: Langenhagen
Bei uns muss nicht das Runde ins Eckige, sondern das ganze Segelzubehör inklusive Groß und Genua, Fock und Leinen, Matratzen und Polstern, der neuen Angel (jaaaa, der Schipper will uns mit frischem Fisch versorgen), Klamotten für fünf Monate, Wein und Tonic, Dieselkanistern und Ölzeug, Kernseife und Gewürzen muss in den Sprinter. Hannes stapelt, woran man merkt, dass er der Sohn der Tetris-Meisterin ist.

15. März: Osnabrück
Juhu: Wir haben das neue Logbuch mit selbst gestalteten Seiten, 100 Stück, beidseitig bedruckt. Damit könnten wir – theoretisch – 200 Tage segeln. Das wäre mehr als die geplanten fünf Monate 😉

13. März: Langenhagen
Geschafft: Dank Maike und Tina Niethammer sowie diverser Ärzte – die uns medizinisch beraten haben – besitzen wir alles von Antibiotikum gegen Blasen-Entzündung bis hin zu Zäpfchen gegen Seekrankheit. Wir sortieren Verbandmaterial, Tabletten, Salbe und Pflaster – und hoffen doch, dass wir nichts davon benötigen werden.

11. März: Langenhagen
Drogerie, Supermarkt, Discounter: Wir füllen in den Twingo, bis der Kleine in die Knie geht. Aber die Einkaufsliste wird kürzer, und am Ende des Tages fehlt nur noch der Chai Latte für den Schipper.